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Grundworte zur Exerzitienspiritualität

"Aus der Mitte leben"

Teil 2: Für das Leben üben

aus: Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt, Nr. 9, 29. Februar 2004, Seite 23.

"Was macht man eigentlich in Exerzitien?" Immer wieder werde ich das gefragt. Und ich muss zugeben: Auf diese Frage zu antworten, ist gar nicht so einfach. Natürlich könnte ich sagen: "Man betet." Oder: "Exerzitien sind eine Zeit, die man in Stille verbringt." Oder auch: "Wer Exerzitien macht, der versucht Gott näher zu kommen." Alle diese Antworten sind richtig. Aber sie geben noch keine Auskunft darüber, was so typisch für Exerzitien ist.

Es beginnt schon bei dem Wort. "Exerzitien" kommt aus dem Lateinischen und heißt zu deutsch "Übungen". Wer Exerzitien macht, der übt also. Wer dabei aber an einen "Exerzierplatz" denkt oder an das Militär, der hat dieses Wort falsch verstanden. Niemand kommt bei Exerzitien ins Schwitzen, weil es so stressig zuginge. Denn auf Kommando wird dort nicht geübt. Und es kommt auch nicht auf die Leistung an. Jeder Teilnehmer darf seinen ganz persönlichen Weg gehen. Ohne Druck und ohne Zwang.

Das Wort "üben" hat für viele Menschen einen negativen Beigeschmack. Üben klingt anstrengend. Es kostet Kraft. Es zeigt, dass ich etwas noch nicht gut genug kann. Üben ist aber etwas völlig Normales. Das weiß jeder Musiker und jeder Sportler. Auch sonst im Leben gilt: Niemand ist perfekt. Ich beherrsche nicht alles. Ich muss dazu lernen, damit mein Leben gelingt. Das ist bei den Kindern in der Schule nicht anders als in einer Partnerschaft.

Die Exerzitien sind ein besonderes Übungsfeld. Das beginnt schon bei dem äußeren Rahmen. Die Teilnehmer ziehen sich in ein geeignetes Haus zurück. Das ist eine echte Chance: Sie lassen ihren Alltag hinter sich. Die Stille hilft, ruhig zu werden und zu sich selbst zu finden. Kein Radio, kein Fernseher, kein Handy stört. Sie dürfen sich ganz auf die Übungen einlassen. Immer wieder neu kann der Exerzitienteilnehmer versuchen, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Er kann suchen und fragen, bitten und danken. Er kann in sich hinein horchen: "Was möchtest du, Gott, von mir?" Und er ist dabei nicht allein. Im Gespräch mit dem Exerzitienbegleiter (oder der Begleiterin) kann manches klarer werden. Von ihm bekommt er Hinweise für den weiteren geistlichen Weg. Das kann zum Beispiel eine Stelle aus dem Evangelium sein oder ein Bild, ein Psalm oder ein Blick auf das eigene Leben. In Exerzitien zu üben heißt: Ich stelle mich Gott zur Verfügung. Ich bin offen für das, was Er mir jetzt "sagen" möchte. Dafür will ich mit allen Sinnen bereit sein. Manchmal spricht Gott dabei eine sehr leise Sprache. Es braucht ein feines Gespür, um Ihn wahrzunehmen. Dieses Gespür kann im Laufe der Exerzitien eingeübt werden. Ich darf mit Gott vertraut werden und in mir selbst wahrnehmen, wie Er mich persönlich anspricht. So gut es mir möglich ist, halte ich mich bereit, damit Gott an mir wirken kann.

Wer sich so auf die Exerzitien einlässt, der übt für sein Leben. Denn was dabei wichtig geworden ist, kann vielleicht auch im Alltag helfen. An die Erfahrungen der Exerzitien lässt sich anknüpfen. "Seit ich von den Exerzitien zurück bin, nehme ich mir jeden Tag eine stille Zeit. Das tut mir gut", schreibt eine Teilnehmerin. Ein anderer erzählt: "Am Abend blicke ich auf meinen Tag zurück, so wie in den Exerzitien. Und oft merke ich: Gott war dabei. Das beruhigt mich". Auch bei schwierigen Entscheidungen kann die Exerzitienerfahrung hilfreich sein. Wer eingeübt hat, auf den inneren Frieden zu achten, der wird leichter spüren, was Gott von ihm möchte.

Exerzitien sind nichts Weltfremdes. Ganz im Gegenteil. Sie sind realistisch. Sie gehen davon aus, dass der Mensch nicht perfekt ist. Er braucht Zeit und Raum, um üben zu können. Das ist beim Erlernen einer Sprache nicht anders als beim Beten. Wer Exerzitien macht, der übt für sein Leben. Und das kann nur gut sein.

Pfr. Dr. Michael Kleinert

Exerzitienreferat Bistum Eichstätt

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