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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB anlässlich der Jahresabschlussandacht am 31. Dezember 2015 im Eichstätter Dom

„Die Familie ist die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens. Sie ist die natürliche Gemeinschaft, in der Mann und Frau zur Hingabe der Liebe und zur Weitergabe des Lebens berufen sind. Die Autorität, die Beständigkeit und das Gemeinschaftsleben innerhalb der Familie bilden die Grundlage von Freiheit, Sicherheit und Brüderlichkeit innerhalb der Gesellschaft".(1)  So beschreibt der Katechismus der Katholischen Kirche die Bedeutung und Stellung der Familie.

Doch zwischen dem Gedruckten des Katechismus und der Realität in der Gesellschaft   besteht in vielen Fällen eine Spannung, auch bei Gläubigen. Die in der Ehe zwischen Mann und Frau gründende Familie befindet sich in einer Krise. Viele Ehen bewähren sich nicht mehr als Verbindung auf Lebenszeit, sie brechen auseinander. Sakramental geschlossene Ehen von Katholiken sind davon nicht ausgenommen. Die Partner gehen nach der Trennung neue Verbindungen ein, Patchworkfamilien entstehen oder Menschen bleiben nach einer solch traumatischen Erfahrung alleine. Für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden im Namen der Gleichheit Rechte wie für die Ehe zwischen Mann und Frau gefordert.

Das Ziel der Familiensynode ist die Stärkung von Ehe und Familie

In dieser Situation berief Papst Franziskus die Familiensynode ein, die ihm zuarbeiten und Wege beschreiben sollte, „auf denen Kirche und Gesellschaft sich in ihrem Einsatz für die auf der Ehe zwischen Mann und Frau begründete Familie erneuern können“.(2) 

Vor allem im deutschsprachigen Raum kam es im Vorfeld der Synode zu Diskussionen, ob nicht die gewandelten Lebenswirklichkeiten, die sogenannte Familienvielfalt mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, eine Neufassung der kirchlichen Ehe- und Sexuallehre verlange. Ob nicht das Evangelium von der Familie und die kirchliche Überlieferung zwar als Ideal zu betrachten sind, den neuen Lebensrealitäten aber zugleich eine gewisse Normativität zuerkannt werden sollte, um den Graben zwischen kirchlicher Lehre und realer Praxis vieler Kirchenmitglieder durch die Akzeptanz neuer Verhältnisse zu überwinden. Unter der Prämisse „Akzeptanz der Verhältnisse“ hätten der Apostel Paulus und die frühchristlichen Missionare allerdings keine Missionstätigkeit beginnen können. Die Gesellschaft des römischen Reiches, der sie die frohe Botschaft brachten, lebte diametral entgegengesetzt zu den Idealen des Christentums. Gerade der Anfang des Römerbriefs setzt sich mit dem Leben der Heiden auseinander und bezeugt, wie Paulus bemüht war, im Blick auf diese Verhältnisse die Menschen in die Wirklichkeit Gottes mit einer alternativen Lebensform einzuladen.

Erneuerung des Mühens um Ehe und Familie lautete denn auch das Anliegen des Papstes. Die katholische Kirche ist ja weltweit eine der wenigen Stimmen, die an der einzigartigen Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau sowie an der auf dieser Ehe gründenden Familie festhalten. Wenn die Ehe unter den rechtmäßigen Bedingungen und aus der Haltung des Glaubens geschlossen wurde, ist sie als sakramentale Ehe unauflöslich. Seit Papst Johannes Paul II. richtet die Kirche verstärkt den Blick auf Brüche und sucht pastorale Wege der Begleitung von Menschen, die in der Ehe gescheitert sind. Die pastorale Sorge um verletzte Familien, um Getrenntlebende, um Geschieden-Wiederverheiratete, um Geschiedene, die nicht wiederverheiratet sind, und um Alleinerziehende sollte die Synode gleichfalls aufgreifen.

Die Sinnhaftigkeit und Schönheit des Evangeliums der Familie neu zu übersetzen, damit christliche Ehen und Familien gestärkt werden und die kirchliche Pastoral Eheleute und Familien besser begleitet, war nach Papst Franziskus die Aufgabe der Synode, wie er uns beim Ad-limina-Besuch sagte.

Das Synodenabschlussdokument ist Zuarbeit für den Papst, der das postsynodale Schreiben herausgeben wird. Als Papst, dem die Evangelisierung so am Herzen liegt, hat er die Geschichte der frühchristlichen Mission vor Augen. Missionare wie der Apostel Paulus pflanzten den Glauben an Jesus Christus in Familien ein. Aus Familien entstanden Hauskirchen und Gemeinden sowie Kristallisationspunkte der christlichen Beziehungsnetze. Neuere geistliche Bewegungen in der Kirche leben heute wieder vor, welche Bedeutung Familien und Familienkreisen für den Weg des Glaubens zukommt. Die Familie ist der Ursprungsort der Erziehung, d.h. der Verlebendigung jener Werte, die das Leben wertvoll machen. Idealerweise ist sie auch der Ursprungsort der Glaubenserziehung und damit Raum der Menschwerdung und Personwerdung in christlichem Geist.

Das Anliegen einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral muss in unserer Bistumspastoral Aufnahme finden. Kommunion- und Firmvorbereitung nehmen in der Pfarrpastoral eine wichtige Stelle ein. Wie aber rüsten wir künftig Menschen zu, die sich auf das Sakrament der Ehe vorbereiten? Wie steht es um ein Ehekatechumenat? Welchen Stellenwert wird die Familienpastoral im Gesamt unserer Pastoral einnehmen? Und gewiss auch: Wie gehen wir auf Menschen zu, deren Beziehung in eine Krise geraten ist oder deren Beziehung gescheitert und deren Familie zerbrochen ist? An dieser Stelle sei den vielen Seelsorgern gedankt, die in diesen Situationen Beistand leisten und die Betroffenen geistlich begleiten. Auch unserer kirchlichen Eheberatung sei hier ein aufrichtiges Vergelt’s Gott für ihre wichtige Arbeit gesagt.

Mentaler Wandel in der Gesellschaft

Welcher mentale Wandel ereignete sich, dass der privilegierte rechtliche Schutz der Ehe zwischen Mann und Frau sowie der darauf bauenden Familie minimalisiert wurde, dass er in den Sog einer Diskriminierungsdebatte geraten ist? Es sind doch Ehe und Familie, aus denen der Gesellschaft regenerative Kräfte zuwachsen.

Der normative Wert der menschlichen Natur und ihrer Gegebenheiten, etwa im Mannsein und Frausein, ist für viele Menschen nicht mehr selbstverständlich.(3)   Beachtenswert ist freilich, dass gleichzeitig die anzuerkennende Vorgegebenheit der Natur im Hinblick auf ökologische Fragen völlig selbstverständlich ist. Also ist der moderne Mensch durchaus noch sensibel für die Bedeutung des natürlich Vorgegebenen. Wir müssen ihm jedoch den normativen Wert der menschlichen Natur neu erschließen.

Ein weiterer Grund für den mentalen Wandel liegt in der Subjektivierung des moralischen Bewusstseins. Als richtig gilt, was mir gut tut und gefällt. Das Gefühl rückt in den Mittelpunkt. Diese Entwicklung geht einher mit Erotisierung der Kultur und der Trennung von Sexualtität und Ehe. Ein vermeintliches Recht auf sexuelle Lusterfahrung wird handlungsleitender Grundsatz. In der staatlichen Gesetzgebung hat sich eine Umorientierung vom normativen Wert der menschlichen Natur hin zur Aufwertung der Gefühle angebahnt. Wo Gefühle zwischen Menschen jedweden Geschlechts und die Bereitschaft zur Sorge füreinander zu konstatieren sind, kann staatlicherseits das Etikett Ehe und Familie verliehen werden. Die staatliche Gesetzgebung auf dem Weg zur Rolle des Oheims menschlicher Gefühle? Das führt zur „Bagatellisierung der Ehe“(4)  , denn das Wesen der Ehe erschöpft sich nicht in Gefühl und Verantwortung füreinander.

Auch heute verlieben sich ungezählte junge Menschen. Selbst diese noch nicht ausgereifte Anfangsliebe ist in sich schon auf Unvergänglichkeit ausgerichtet. Ich kenne niemanden, der in Liebe fällt, aber vorsätzlich nur auf bestimmte Zeit verliebt sein möchte. Liebe will nicht sterben, sondern fortleben. Solche Liebe strebt auf Treue zu, da sie unvergänglich sein will.

Damit Liebe in christlicher Ehe und Familie gelingt, braucht es in den Menschen eine starke Hoffnung, die über die momentanen Gefühle hinaus auch in der täglichen Routine die Kraft findet, zu verzeihen und neu zu beginnen. Der moderne Mensch hat vielfach keinen Mut zu solcher Hoffnung. Und wenn sie aufkommt, so findet die Hoffnung in der Gesellschaft nur wenig Stütze. Ehe- und Familienpastoral soll zu dieser Hoffnung ermutigen. Wir brauchen wieder die Familie als Subjekt der Evangelisierung, als Träger der Evangelisierung. Auch dies war ein Anliegen der Synode.

Die Kirche muss missionarisch sein

Die Evangelisierung als Aufgabe hat uns Papst Franziskus beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe ins Stammbuch geschrieben. In der Abschlussrede des Heiligen Vaters heißt es:

„Das Gebot der Stunde ist die pastorale Neuausrichtung, also dafür zu sorgen, dass die Strukturen in der Kirche alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des Aufbruchs versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet.“(5)

In seiner Ansprache konstatierte der Papst weiter, dass die Kirche in Deutschland immer neue Strukturen schafft, für die eigentlich die Gläubigen fehlen. Ein zu großes Vertrauen auf die Verwaltung und den perfekten Apparat nimmt der Kirche ihre missionarische Dynamik, so Papst Franziskus.

Liebe Schwestern und Brüder, wir gehen unseren Weg als katholische Kirche in Deutschland in einer komplexen gesellschaftlichen Wirklichkeit. Daher wird die Sozialgestalt der Kirche hierzulande gewiss immer auch von Institutionalisierung geprägt sein, schon um den hohen rechtlichen und gesellschaftlichen Standards bei uns entsprechen zu können, etwa was die finanzielle Transparenz betrifft oder die eng in die staatliche Sozialgesetzgebung verwobene Arbeit der Caritas.

Allerdings verfügen die beiden großen Kirchen aufgrund des deutschen Kirchensteuersystems über Ressourcen wie kaum in einem anderen Land. Diese verleiten uns manchmal, den Heiligen Geist nur als Teilzeitkraft zu betrachten, um unsere eigenen Pläne nicht von ihm stören zu lassen. Verfahren wir nicht oft nach der Methode: Wo eine gute Idee aufkommt, muss bald ein Schreibtisch zu deren Verwaltung aufgestellt werden?

Wir sollten uns die Worte der Papstansprache zu Herzen nehmen: Noch so gute Pläne und Strukturen bleiben fruchtlos, wenn in ihnen nicht der Herzschlag missionarischer Jüngerschaft, die Freude des Evangeliums, das Zeugnis für Christus und die Einladung zur Begegnung mit dem Herrn spürbar ist. Zur wesentlichen Sendung der Kirche gehört es, den Menschen das Evangelium zu verkünden, ihnen in der Kraft des Evangeliums zu begegnen, um ihnen den Weg in die Liebesbeziehung mit Gott zu eröffnen. Die Kirche kann sich nicht auf die Rolle einer sakral-politischen Erziehungsanstalt oder einer frommen Vereinigung zur Förderung der Ethik reduzieren lassen.

Es braucht einen missionarischen Ruck

Wir sind im Bistum dabei, die pastoralen Räume neu zu ordnen. Es braucht auch bei uns den missionarischen Ruck, zu dem Papst Franziskus einlädt. Machen wir uns dazu Gedanken.

Statt zu fragen: „Wie muss sich die Kirche ändern, um für mich anziehend zu sein?“, sollten wir uns die Frage stellen: „Was braucht die Kirche von mir? Was will das Evangelium von mir, von uns als Pfarrgemeinde, als katholischer Verein, damit die Freude des Evangeliums unter uns und über die Kirche hinaus erfahrbar wird?“
Jesus fragte seine Jünger nicht „Was kann ich dir bieten, wie kann ich Dich zufrieden stellen?“ Nein, er sagt: „Verlass alles! Komm und folge mir!“ Er lädt ein, zu allererst zu ihm aufzubrechen, seiner Person zu begegnen, und zwar ohne großes Gepäck. „Komm und sieh!“

Der missionarische Weg beginnt mit der Erfahrung der Freiheit von vermeintlichen Zwängen wie etwa Macht-, Besitz- oder Geltungsstreben, mit der Erfahrung eines inneren Armseins, das zu Jesus hindrängt. Diese Erfahrung ist die Tür zur Umkehr, d. h. zum Evangelium. „Es gibt keine neue Menschheit, wenn es nicht zuerst neue Menschen gibt durch die Erneuerung aus der Taufe und ein Leben nach dem Evangelium. Das Ziel der Evangelisierung ist also die innere Umwandlung.“(6) So schrieb Papst Paul VI., der große Papst der Evangelisierung, in seiner visionären Schrift Evangelii Nuntiandi im Jahre 1975.

Evangelisierung braucht die innere Mission, die Selbstevangelisierung. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit lädt mich, lädt uns alle zur inneren Mission ein, aus der die Mission nach außen wachsen kann. Wagen wir den ersten missionarischen Schritt im regelmäßigen Empfang des Bußsakraments.

Flüchtlinge und das Jahr der Barmherzigkeit

Das Zusammentreffen des Jahres der Barmherzigkeit und der Herausforderungen der Flüchtlingskrise sollte für uns Katholiken Anruf, kairos sein. Papst Franziskus hat uns für das Heilige Jahr empfohlen, die Werke der Barmherzigkeit zu praktizieren. Menschen auf der Flucht, die derer bedürfen, stehen in Scharen vor unseren Türen.

„Wir schaffen das“, ist der berühmteste Ausspruch zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Aber wer ist „Wir“? Dieses Wir umfasst vor allem eine große Zahl an Kommunalpolitikern und kommunalen Behörden, die sich meist unkompliziert und unbürokratisch den Ankömmlingen und ihren Nöten und Bedürfnissen zuwenden. Zu diesem Wir zählen ebenfalls viele Ehrenamtliche, die sich uneigennützig in ihrer Freizeit engagieren. Dankbar denke ich an die zahlreichen kirchlichen Ehrenamtlichen im Bistum, darunter auch solche, die schon länger in Distanz zur Kirche standen, sich nun aber in kirchlichen Helferkreisen neu engagieren. Sie alle schenken den Flüchtlingen Kraft, Zeit, Sachmittel und vor allem Menschlichkeit. Zu diesem Wir gehören die Sozialverbände und ihre Mitarbeiter, unsere Caritas und Malteser, die Polizei, Ärzte und viele weitere Gruppen.

Aus meiner Sicht ging diese Basis hilfsbereit voran, während sich die große Politik zum Teil nur zögerlich dem Wir verband und die europäische Politik teilweise sogar ganz außen vor bleibt.

Inzwischen wird in den Medien fast wöchentlich ein Meinungsbarometer zur Flüchtlingsfrage veröffentlicht. Ich bin mir unsicher, ob sich in der sinkenden Zustimmung ein Stimmungswandel oder eine Verunsicherung, ja ein Vertrauensverlust der Bevölkerung angesichts einer gefühlten Führungslosigkeit der Politik spiegelt. Besonnene Politiker wie Peer Steinbrück mahnen, von falscher Euphorie wie auch von Angstmacherei in der Politik zu lassen. Streitereien über eine Obergrenze für Flüchtlinge oder darüber, ob die Regulierung der Flüchtlingszuwanderung über Geldströme an die Türkei erfolgen kann, die dann de facto das Kontingent bestimmt, fördern nicht das Vertrauen in die Politik. Politisch oder medial verordnete Tabuisierungen und Problemausblendungen gefährden auf Dauer unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es bedarf eines konzertierten sach- und problemorientierten Ringens, auch mit den Verunsicherten in der Bevölkerung - wobei klar sein muss, dass fremdenfeindliche Hetze und Rechtsradikalismus keinen Platz finden dürfen.

Problemorientierte und humanitäre Lösungen

Wenn die Politik zeigt, dass sie nicht den Realitäten der Flüchtlingskrise hinterherläuft, sondern sie problemorientiert und humanitär zugleich gestaltet, habe ich keine Angst, dass die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung kippen könnte. Wünschenswert wäre eine europäische Asyl- und Migrationspolitik auf zwei Säulen. Einmal gilt es den Menschen, die aus tiefer Not bei uns ankommen, zu helfen. Zur Hilfe gehört auch ein klar umrissenes Konzept der Integration. Diese gelingt nicht allein über Wohnraumzuweisung, Deutsch- und Weiterbildungskurse, Benimmfibeln und die allmähliche Übernahme der Menschen in den Arbeitsmarkt. Die Menschen bringen eine andere Religion, andere normative Kontexte und Werteorientierungen mit. Die Integration wird eine Herausforderung für unsere Gesellschaft. Selbstbesinnung auf unsere eigene geistige Herkunft und auf das, was uns trägt, ist unerlässlich für die Integration der Flüchtlinge.

Die andere Säule der Asylpolitik sollte darin bestehen, gleichzeitig die Wurzeln der Fluchtbewegungen in den Blick zu nehmen, etwa in Afrika. Es braucht konzertierte Maßnahmen der Industrienationen, den wenig entwickelten Ländern politisch und materiell zu helfen, damit das Leben lebenswert wird und die Menschen bleiben. Für uns in Europa heißt dies, eine Entwicklungspolitik zu betreiben, die nicht unseren eigenen europäischen wirtschaftlichen Interessen dient, die nicht Almosen gibt, sondern teilt.

Anfrage an unseren Lebensstil

Die Ankunft so vieler Flüchtlinge in Europa stellt Fragen an unseren Lebensstil: Kann unser gegenwärtiger Lebensstandard in Europa als Norm gelten? Unser Wohlstand gründet zum Teil in jenen Ländern, aus denen heute Flüchtlinge zu uns kommen: er basiert auf den Rohstoffen, die uns jene Länder billig liefern, auf den Wirtschaftsregeln, denen wir sie unterworfen haben, auf den gesellschaftspolitischen Ideen, die wir exportiert haben, die aber für die dortigen Verhältnisse nicht adäquat sind, auf den Waffen, die ihnen die sogenannte westliche Welt liefert.  Was der Kirchenvater Cyprian Christen im 3. Jahrhundert riet, gilt heute für ganze Staaten:

„Gebrauche deinen Besitz für heilbringende Dinge und für gute Zwecke! Gebrauche ihn für das, was Gott geboten und worauf der Herr hingewiesen hat. Die Armen sollen deinen Reichtum fühlen, die Bedürftigen deinen Wohlstand. Speise Christus und verleihe deinen Besitz an Gott!“(7) 

Papst Franziskus rüttelt uns Christen in der Enzyklika Laudato Si auf, einen neuen Lebensstil zu wagen, der für mehr Solidarität und Gerechtigkeit steht. Gebe Gott uns seine Kraft dazu, damit wir als Salz der Erde spürbar sind.

Amen.


 (1) Katechismus der Katholischen Kirche 2207.
(2)  Relatio Synodi der Dritten Außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, Nr. 4.r. 4.
(3) Vgl. Livio Melina, Für eine Kultur der Familie: Die Sprache der Liebe (Altötting 2015), 183.
(4) Daniel Deckers, Die Axt an die Wurzel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (15. August 2012), 1.
(5) Franziskus, Ansprache an die Deutsche Bischofskonferenz zu ihrem Besuch „Ad limina Apostolorum“, 20. November 2015.
(6) Evangelii Nuntiandi 18.
(7) Cyprian von Karthago, De habitu virginum XI.