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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zur Priesterweihe am 12. April 2008 im Eichstätter Dom

 
Liebe Weihekandidaten,

für Euere Priesterweihe habe ich das Evangelium von der Verklärung des Herrn nach Lukas (Lk 9,28-37) ausgewählt. Diese Erzählung passt gut in die Osterzeit, da Jesu Verklärung ein Vorausbild auf Ostern ist. „Ostern inmitten des Alltags“, so könnte man diese Begebenheit überschreiben. Der Herr nahm Petrus, Johannes und Jakobus aus dem Jüngeralltag heraus, um ihnen auf dem Berg den österlichen Vorausblick zu schenken. Als „Säulen“ bezeichnet Paulus im Galaterbrief (Gal 2, 9) diese drei Jünger. Hauptstützen der jungen Kirche waren sie und als solche besitzen sie Modellcharakter für die Jüngerschaft. Zum Jünger Jesu gehört der österliche Ausblick. er braucht im Alltag die österliche Erfahrung. Deshalb wird im Ereignis auf dem Berg der Verklärung Ostern gleichsam antizipiert.

Ostern erschließt das Letzte und Höchste, das über den Menschen und die Welt gesagt werden kann. Durch Jesu Auferstehung reicht das Menschsein über die Sphäre des Irdischen hinaus in das Innere Gottes: „aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“,  beten wir im Credo. Und zugleich besagt Jesu Auferstehung den Anbruch der Lebensmacht Gottes im Hier und Jetzt.

Als Priester seid Ihr die Gesandten Jesu von heute, die das Leben und die Wirklichkeit von diesem „Letzten und Höchsten“ her deuten. Daher muss sich unser eigenes priesterliches Wirken, angefangen vom liturgischen Dienst über unsere vielfältigen Begegnungen und über die Begleitung von Menschen bis hin zu den kleinen Tätigkeiten im Büro, vom österlichen Glauben speisen. Priestersein kann man nicht ohne Beziehung zum Auferstandenen und ohne österliche Hoffnung. Das gilt sogar für jene Phasen unseres priesterlichen Lebens, in denen geistliche Trockenheit einzieht, wenn man an Erfolglosigkeit im Dienst leidet oder wenn einen die Fülle der Arbeit niederdrückt. Wie die Jünger aus dem Alltagleben heraus auf den Berg der Verklärung geführt wurden, so braucht der Priester immer wieder Ostern im Alltag.

Aber täuschen wir uns nicht, liebe Weihekandidaten: Der österliche Glaube lebt keineswegs nur vom Gipfelerlebnis. Österlicher Glaube umfasst auch den Aufstieg und den Abstieg.
So möchte ich den Evangelientext unter diesen Gesichtspunkten meditieren.

 
A) Jesus stieg auf den Berg: Der Aufstieg

„Jesus nahm Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg“ (Lk 9,28).  Der Aufstieg gilt in der geistlichen Tradition oft als Bild dafür, den Alltag hinter sich zu lassen, loszulassen. Aber nicht im Sinne eines Freizeiterlebnisses oder einer Wellnesserfahrung! Aufstieg im geistlichen Leben hat immer auch mit Mühe zu tun. Der Aufstieg zu Gott verlangt vor allem Reduktion, loszulassen und mit nur ganz Wenigem unterwegs sein zu Gott: Am besten nur mit dem, was vor Gott zählt!

Ihr, liebe Weihekandidaten, habt bereits bei der Diakonatsweihe ein zölibatäres Leben um des Himmelreiches willen versprochen. Heute gelobt Ihr mir als derzeitigem Bischof und meinen Nachfolgern erneut Gehorsam. Dieses Versprechen auf die bereitwillige Annahme von Versetzungen und Anordnungen des Bischofs begrenzen zu wollen, wäre ein Fehler. Gehorsam und Zölibat sollen österliche Lebenshaltungen des Priesters sein, Haltungen des Aufstiegs. Wobei der Gehorsam im Großen vom Gehorsam im Kleinen lebt. Es geht darum, sich im Blick und im Vertrauen auf den Herrn reduzieren zu können, zum eigenen Ego in Distanz zu gehen, zu eigenen Planungen, Wünschen und Vorlieben, zu den Götzen unseres Herzens, um der Fülle Gottes Raum zu schaffen. Gehorsam scheidet geistlich Wichtiges von Unwesentlichem. Ohne einen derartigen Gehorsam kann der Osterglaube nicht wachsen.

Wer Gehorsam als österliche Haltung lebt, den erfüllt Freude beim Aufstieg. Das Wissen, auf Gott hin unterwegs zu sein, ist Quelle der Freude. Besonders Maria, die Mutter des Herrn, ist uns darin ein Vorbild. Aus ihrem Gehorsam – „mir geschehe nach deinem Wort“ – erwächst der Lobpreis des Magnificat.

 
B) Der Berg

Jesus und die drei Jünger hielten sich auf dem Berg auf. Der Berg ist Symbol für Abstand und Distanz zum Alltag sowie für die Nähe zu Gott. So darf der Priester sich nicht an das Getriebe des alltäglichen Lebens verlieren oder sich gar von daher definieren. Er braucht vielmehr Gipfelpunkte für und mit Gott, die den rechten Blick, ja Ausblick schenken. Verweilen bei Gott und Distanz zum Getriebe, aber nicht Distanzierung. Das alltägliche Leben gering zu achten und jede Gelegenheit zu suchen, um ihm zu entfliehen, wäre fatal. Jüngersein verwirklicht sich in Hingabe, lebt davon, sich verbrauchen lassen. Nicht Flucht aus der Wirklichkeit, sondern Verwurzelung in Gott, dafür steht das Bild vom Berg. Der Einleitungsdialog der Präfation fasst die Haltung gut zusammen: „Erhebet die Herzen!“ – „Wir haben sie beim Herrn.“ Der Priester muss sein Herz beim Herrn haben und beim Herrn verweilen. Wer den Menschen nahe sein will, braucht tiefe Wurzeln in Gott.

 
C) Das Gebet

In der Überlieferung des Evangelisten Lukas ereignet sich die Verklärung, während Jesus auf dem Berg betet. Er „stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten“ (Lk 9,28). Das Gebet war die Intention seines Aufstiegs. Und während des Gebets „veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß (Lk 9,29).

Welch ungeheuere Kraft entfaltete sich aus dem Gebet Jesu. Was muss es um sein Beten gewesen sein. Er vollzog wohl dabei die Vereinigung mit dem Innersten des Vaters. Aus dieser Einheit mit dem Vater strömte die Lebensenergie Gottes, wurde die Kraft der Auferstehung schon jetzt an seiner Person sichtbar und für die Jünger erfahrbar. Hinein genommen wurde dabei die Heilsgeschichte des Volkes Gottes: Im Lichtglanz traten Mose und Elija hinzu. Sie repräsentieren Tora/Gesetz und Propheten, die sich in Jesu Auferstehung erfüllen. Und als letztgültiges Wort Gottes wird die Stimme des Vaters vernehmbar: „Das ist mein auserwählter Sohn“ (Lk 9,35). Der Osterglaube verbindet mit der ganzen Heilsgeschichte, führt in die Gemeinschaft der Heiligen.

Liebe Weihekandidaten, Gebet und österlicher Ausblick gehören also zusammen. Den Osterglauben kann man nicht durch Lesen und Studieren gewinnen, auch nicht über eine religiöse High-Stimmung. Schlüssel ist das Gebet Jesu. Wie Jesus sich im Gebet mit dem Vater vereinte, so sollen wir unser Beten mit dem Gebet Jesu vereinen, damit die Kraft der Auferstehung in unserem Leben spürbar wird. Mit Chesterton kann man sagen: Am meisten wird unser Beten unseres, wenn es seines ist.’ (Letters to Malcolm, 1964, 103-104) - Uns Priestern, die wir das Mysterium von Tod und Auferstehung des Herrn feiern, muss das ein existentielles Anliegen sein.

Wie schwach ist oftmals unser Beten, weil wir uns gehetzt fühlen, weil wir mit der Zeit für das Beten knausern, weil wir beim Beten besetzt sind von Problemen und Sorgen. Jeder Priester braucht daher für sich eine Schule des Betens, in der eingeübt wird, wie man sich ganz in die Gegenwart des Herrn gibt, wie man ihm nicht nur die Stimme, sondern auch Geist und Herz übergibt. Beten in Einheit mit Christus verändert! Darauf dürfen wir vertrauen. Beten verhilft der österlichen Leuchtkraft Gottes zum Durchbruch.

 
D) Abstieg

„Wir wollen drei Hütten bauen“ (Lk 9,33). Der Wunsch des Petrus, den Vorgeschmack auf das Osterereignis hin festzuhalten und auf dem Berg zu bleiben, geht nicht in Erfüllung. Die Schrift setzt dem Wunsch ganz nüchtern den Abstieg entgegen: „Als sie am folgenden Tag den Berg herabstiegen, kam ihnen eine große Menschenmenge entgegen“ (Lk 9,37), so fährt Lukas im Evangelium nach der Verklärung weiter. Der Jünger darf sich kein Idyll machen! Der Echtheitserweis der österlichen Erfahrung liegt vielmehr im Abstieg vom Berg, um aus dem österlichen Glauben heraus den Brüdern und Schwestern zu dienen, in denen Christus gleichfalls gegenwärtig ist. Das bedeutet: „Das Heilige lassen, ohne es zu verlieren.“ (Klasvogt, Angesprochen und herausgefordert, 66). Die Sendung der Jünger, die hier in der Perikope als Abstieg vom Berg und als Hinwendung zu den Menschen ausgedrückt ist, finden wir wiederum bei den nachösterlichen Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen. Die Türen, hinter denen sie sich zunächst versteckt gehalten hatten, wurden nach der Begegnung mit dem Auferstandenen geöffnet, sie gingen hinaus und verkündeten den Menschen die Botschaft. Die Liebe zum Auferstandenen liebt es abzusteigen.

Liebe Weihekandidaten, die Amtlichkeit des Priestertums Jesu Christi zeigt sich gerade auch an dieser Bewegung des Abstiegs.

Das Wesen des Priestertums Christi, an dem Ihr heute Anteil erhaltet, konzentriert sich im Begriff Dienst: Diakonia – Ministerium. Freilich ist nicht gemeint der Dienst als eine human-caritative Sorge für die Menschen oder gar im Sinne eines Funktionärswesens. Priesterlicher Dienst, ministerium, bezieht sich inhaltlich zunächst auf den Dienst am Mittleramt Christi. Er ist Herr und zugleich Diener, weilte er doch unter den Menschen wie einer, der dient. (vgl. Lk 22,27) Seinem Mittleramt, bei dem Amt und Liebe zusammenfallen, haben wir Priester zu dienen. Nicht unsere Vorstellung, sondern sein Mittleramt hat unserem priesterlichen Dienst Gestalt zu geben. Wir sind Werkzeuge seiner Sendung. „Wie können wir dem Anspruch gerecht werden?“, fragen wir uns. Da wir als Werkzeuge nicht ständig über uns selbst reflektieren müssen, sondern den Herrn ins Auge fassen dürfen, werden wir innerlich frei von solchen Ängsten.

Gewiss hat der Priester auch Anteil an der Autorität Christi. Aber diese muss beim Priester so sichtbar werden, dass sie immer auf die Liebe Christi verweist und als Bruderliebe spürbar wird. Unser Priestersein ist nicht eine Funktionsform, sondern zu allererst eine Existenzform, deren Kern Hingabe oder eben Abstieg ist. Weltpriesterliche Spiritualität muss geprägt sein von diesen Bewegungen: Aufstieg, beim Herrn verweilen, Abstieg.

Man kann diese Bewegungen, denen sich der Weltpriester hingeben soll, knapp zusammenfassen: Ostern im Leben, im Alltag wach halten. Dem zu dienen, ist Euere Aufgabe in Liturgie und Leben, liebe Weihekandidaten. Werdet selbst österliche Menschen, die sich im Vertrauen auf den Auferstandenen in die Bewegung des Auf- und Abstiegs dreingeben.

Amen

 
© Pressestelle der Diözese Eichstätt