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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zum Hochfest der Patrona Bavariae in der Wallfahrtsbasilika Maria Brünnlein in Wemding am 1. Mai 2009 (Fernsehübertragung des Bayerischen Rundfunks)

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist noch gar nicht lange her, da kletterten die Benzin- und Ölpreise ins schier Unermessliche. Wir spürten in unserem Land, was es heißt, abseits der Quellen zu leben. Mangel und Teuerung waren die Folgen, und damit verbunden Sorgen und Ängste.

 An Quellen zu sitzen, macht das Leben lebenswerter und reicher, so glauben wir: an Öl- und Rohstoffquellen, an Geldquellen, in Zukunft vermehrt an Wasserquellen. Aber gerade auch an Kraftquellen, nach denen sich heute viele Menschen sehnen, die sich vom Leben stark gefordert und sogar überfordert fühlen. Menschen mit körperlichen und seelischen Leiden, Menschen, die vom Leben enttäuscht sind.

 Wir wollen nicht dahinvegetieren, wir hungern nach einem Leben in Fülle, nach Quellen des Lebens! Die Quelle ist Zeichen für unsere Sehnsucht nach Leben.

Liebe Schwestern und Brüder, hier in der Basilika Maria Brünnlein in Wemding, einer der bedeutenden Marienwallfahrtsstätten unserer Bayerischen Heimat, befinden wir uns an einer Quelle. Vor den Mauern des Marienheiligtums, entspringt eine Wasserquelle. Das Wasser wird in die Wallfahrtskirche geleitet und fließt auf den 4 Seiten des Gnadenaltars unter dem Gnadenbild der Gottesmutter in die Becken. Viele Pilger erfrischen sich besonders an heißen Sommertagen mit diesem Wasser. Dieses Brünnlein unter dem Gnadenbild Mariens gleicht einem Wegweiser. Es will auf Maria als Quelle der Gnaden hinweisen.

Wie das Wasser aus der Quelle strömt, so ging Christus aus Maria hervor. Im Wemdinger Wallfahrtslied besingen wir die Gottesmutter als Quelle der Gnaden!

 Du Quelle der Gnaden, die immerzu fließt: //Du schenkst uns den Heiland, den Herrn Jesu Christ; // durch dich kommt uns Rettung und Leben und Heil. //Was einstens verloren wird neu uns zuteil.

Christus begegnen, ihn in den Sakramenten berühren zu können, bei ihm geborgen zu sein und durch ihn Heilung zu erfahren, das sind Gnaden, die uns Maria eröffnete. Diese Quelle der Gnaden fließt weiter in der Kirche und durch die Kirche. Maria und die Kirche gehören untrennbar zusammen. Einst wurde aus Maria, der Gottesmutter, der Sohn Gottes Mensch. Heute trägt ihn die Kirche zu den Menschen und in die Welt: dies vollzieht sich auf dem Altar der Eucharistiefeier, indem wir das Evangelium verkünden und beten. Das Brünnlein hier am Gnadenaltar der Wallfahrtsbasilika hier ist ein Bild dafür, dass der Dienst der Kirche, Christus zu den Menschen zu tragen und die Menschen vor Christus zu bringen, ein marianischer Dienst ist.

Zu Recht ehren und verehren wir die Gottesmutter, weil doch die Kirche in der Person Mariens ihrem eigenen Anfang begegnet und ihre eigene Sendung erkennt. Der geistliche Schriftsteller Charles Péguy hat einmal ganz allgemein über den Anfang des Glaubensweges im Leben eines Menschen gesagt: "Alles, was anfängt hat eine Kraft, die sich nie wieder findet. ... In allem, was anfängt, ist eine Quelle, ist eine Wurzel, die sich nie wieder findet."1 Die Worte helfen uns, die Verehrung Mariens durch die Kirche zu verstehen und zu bejahen: Maria leitet die Kirche stets neu dazu an, die Kraft des Anfangs lebendig zu halten, und sie erbittet uns diese Kraft bei ihrem Sohn. Maria ist Mutter der Kirche, Beschützerin der Kirche. Als solche rufen wir sie auch als Beschützerin, Patronin unserer bayerischen Heimat an: als Patrona Bavariae.

Liebe Schwestern und Brüder! Wir hören im hier Kirchenraum das stille Plätschern des Wassers. Es verkündet uns, die Quelle der Gnaden strömt weiter!

Du Quell, dem lebendiges Wasser entspringt,// das Labung und Segen den Dürstenden bringt;// Du bist wie ein Brunnen, der niemals versiegt:// Sein Ursprung in Gott dem Allmächtigen liegt, so lautet eine weitere Strophe des Wemdinger Wallfahrtsliedes.

Dankbar nehmen wir die Botschaft auf, die Quelle lebendigen Wassers fließt: Christus ist heute und künftig mitten unter uns gegenwärtig. Geburt, Kreuzesopfer, Auferstehung des Herrn sind nicht vergangene Ereignisse, sondern bleibende Realitäten. Die Liebe Gottes will sich ausgießen in unsere Herzen. Die Worte des Lebens fließen in die Welt. Schöpfen wir aus der Quelle der Gnaden, um unser inneres Leben zu bereichern. Auch wenn wir viele Jahrhunderte nach Christus leben und dem Auferstandenen nicht auf dieselbe Weise begegnen können wie damals die Jünger und der ungläubige Thomas, so erleiden wir dennoch keinen Nachteil. Wir leben an der Quelle der Gnaden. Wer mit Christus in lebendiger Beziehung steht, wer sich von seinem Wort ansprechen und nähren lässt, der schöpft schon Wasser des Lebens. Sein Inneres gleicht einem bewässerten und blühenden Garten. "Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird nie mehr Durst haben: vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt!" - So verheißt Jesus der Frau am Jakobsbrunnen.(vgl. Joh 4, 14)

Wer aber schöpft, aus dem entspringen selbst Quellen. Maria zeigt uns, wie es geht, sich selbst zum Schöpfgefäß Gottes gestalten zu lassen. Sie legte ihr Leben ganz in Gottes Hand: Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du gesagt hast, antwortete sie dem Engel, der ihr die Nachricht von der Menschwerdung Gottes brachte. Sie war ein Mensch, der ganz von sich selbst und zu Gott hin befreit war.2 Das heißt: ein Mensch, der Gott beherbergen kann. In Maria nahm Gott etwas als Seines an, das des Menschen ist. Quelle werden, das heißt, erfüllt sein von Christus, und darin liegt die Erfüllung unseres Menschseins. Solches Empfangen macht wahrhaft reich und froh. Liebe Schwestern und Brüder, Glück und glücklich sein sind keine festen Bestandteile des menschlichen Lebens, wir können sie nur von Gott her empfangen. Wo wir erfüllt sind von Christus, dürfen wir die Quelle der Gnaden als Quelle der Freuden erfahren.

Du Mutter der Kirche, von Anfang bestellt // zur Quelle der Freude für unsere Welt.

 

1 Charles Péguy, Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung, 19933,  28 u. 29.

2 L. Boros, Befreiung zum Leben, 1977, 115.