Zum Inhalt springen

Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB anlässlich des Haupt- und Patronatsfestes des Ingolstädter Messbundes am 4. Dezember 2016 in St. Moritz in Ingolstadt

Liebe Mitglieder des Ingolstädter Messbundes, liebe Schwestern und Brüder,

der Marianische Messbund zu Ingolstadt hat sich das Festgeheimnis der Unbefleckten Empfängnis als Panier, als geistliches Logo gewählt. Wie geht das zusammen? Der Messbund versteht sich als Gemeinschaft von Gläubigen, welche die Verehrung der Eucharistie fördern und pflegen wollen. Und zugleich stellte sich diese Gemeinschaft unter das Patronat der Gottesmutter und feiert das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens als Hauptfest. Mindert nicht die starke Ausrichtung auf die Gottesmutter die dem Messbund ursprünglich aufgegebene Verehrung des Leibes und Blutes Christi?

Man mag auch einwenden, dass Maria ja nicht einmal im Abendmahlsaal dabei war, als der Herr die Eucharistie den Seinen schenkte, um als Gekreuzigter und Auferstandener in seiner Kirche gegenwärtig zu sein. Auch sonst ist uns aus der jungen Kirche in der Heiligen Schrift keine Begebenheit überliefert, bei der Maria bei der Feier des Brotbrechens, bei der Feier des Herrenmahles der jungen Gemeinde besondere Erwähnung fände. Allerdings hat sie gewiss an der Eucharistie der jungen Kirche teilgenommen, so wie sie auch bereits im Pfingstsaal mit der ganzen Jüngerschaft betend zugegen war. Mehr noch: Maria war selbst die eigentliche Monstranz, die Ur-Monstranz, die den Sohn Gottes, das Brot des Lebens in ihrem Schoß getragen und der Welt gebracht hat. Weil sie den trug, der sich als Brot des Lebens offenbarte, darf ihr Leben als eucharistische Existenz bezeichnet werden. An ihrem Leben werden wir gewahr, dass der gegenwärtige Christus den Menschen verwandeln will, dass der Empfang des eucharistischen Herrn Veränderung des Lebens bewirkt.

Es ist heute zum Regelfall geworden, zum Empfang der Eucharistie hinzuzutreten, wann immer man an einer Eucharistiefeier teilnimmt. Sei es beim einmaligen oder zweimaligen Messbesuch pro Jahr an Weihnachten und vielleicht zu Ostern oder bei einem Begräbnis, sei es beim regelmäßigen Sonntagskirchgang.  Bedenken wir, ob der Eucharistieempfang in mir, in uns zur Veränderung führt? Oder verlasse ich die Kirche nach dem Gottesdienst in dem inneren Zustand, in dem ich sie vor der Messe betrat: vielleicht mit den gleichen sorgenvollen Gedanken, mit dem Ärger, den ich zuvor in mir trug? Das Hochfest Unbefleckte Empfängnis und die Adventszeit laden uns ein, den Weg der Wandlung und Veränderung im Leben Mariens zu meditieren, den das Kommen Christi bewirkte.

Eucharistie entprivatisiert

„Du sollst Mutter des Sohnes Gottes werden“, sagt der Erzengel Gabriel Maria. „Du darfst Gefäß, Monstranz des Brotes vom Himmel werden“, könnte man deutend hinzufügen. Man sollte meinen, Maria wäre als werdende Mutter des menschgewordenen Gottessohnes aller Probleme enthoben. Gott in ihr, was kann es mehr geben? Doch ganz im Gegenteil: das Leben der Frau aus Nazareth gerät aus den Fugen. Seit sie den Sohn Gottes in ihrem Schoß trägt, vermag sie ihr Leben nicht mehr fest in ihren Händen zu halten, sogar Ihre Verlobung mit Josef gerät in die Krise, will er sie doch entlassen, als er ihre Schwangerschaft bemerkt. Ihr Leben lang wird sie immer wieder lernen, wer Christus aufnimmt, wer in Gemeinschaft mit ihm lebt, muss loslassen von sich, von den eigenen Plänen. Gott in sich aufzunehmen, heißt nicht mehr sich selbst zu gehören, sondern Gottes Heilsplan. Das Steuerrad des Lebens nicht mehr alleine zu führen, entprivatisiert zu sein, löst zunächst Angst aus. Aber auf diese Weise will Gott den Menschen zu weiterer Entwicklung und Entfaltung führen, damit der neue Mensch nach dem Bild Christi heranwachse (2 Kor 5,17). Das ist menschlich gesehen alles andere als einfach.

Liebe Schwestern und Brüder, der Blick auf das Leben Mariens sollte uns neu bewusst machen, dass man nicht Christus am Tisch des Herrn empfangen kann und alles im Leben bleibt, wie es ist. Das umfasst mein Alltagsleben und meine Beziehungen, meine Emotionen, mein Denken wie auch die großen Weichenstellungen im Leben. Nehme ich Christus auf, kann ich nicht mehr mein eigener Herr sein wollen. Eucharistie entprivatisiert, weil sie Gottes Heilsplan für mich vergegenwärtigt. Gott hat ja mit mir und mit dir einen Plan, er braucht mich. Jeder Eucharistieempfang ist eine Bereitschaftserklärung, sich gleich Maria dem Plan des Herrn zu überlassen. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn! Mir geschehe wie du es gesagt hast!“ Ein Gebet des heiligen Nikolaus von der Flüe drückt gleichfalls auf wunderbare Weise die Haltung aus, die das Hinzutreten zum Tisch des Herrn in meinem Inneren braucht: „Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“

Eucharistie braucht das Horchen auf die Berufung

Maria soll gemäß der Botschaft des Erzengels Gabriel der Welt Christus gebären. Sie soll Christusträgerin werden. Sie gewinnt die innere Freiheit, diese Berufung als die Ihrige zu erkennen, weil sie Horchende ist. Die Heilige Schrift schildert sie in der Begegnung mit dem Erzengel als intensiv Lauschende. Sie hört und fragt nach, um zu entdecken, was für sie der rechte Weg sein könnte. Sie erweist sich keineswegs als willfährige Jasagerin: „Wie soll es geschehen, was du mir da ankündigst, dass ich Mutter des Herrn werde, da ich doch keinen Mann erkenne?“, hält sie dem Engel entgegen. Mit all ihrer inneren Kraft ringt sie, Gottes Ruf als ihre Berufung anzunehmen. Das Horchen auf die Stimme Gottes macht sie frei von Vorurteilen oder vorgefassten Ideen und Plänen, das Horchen macht sie frei für ihre Berufung. Horchen wird zum Gehorchen. Im Gehorsam gegen den Ruf Gottes bereitet sie den Weg für das Kommen Christi.

Liebe Schwestern und Brüder, Zutritt zur Eucharistie setzt Offenheit und Mühen für meine Berufung von Gott her voraus. Mache ich mir Gedanken über meine Berufung? Über die kleinen Berufungen des Alltags, in denen Gott in bestimmten Situationen des familiären Miteinanders und der alltäglichen Abläufe von mir etwas erhofft, in denen er durch Menschen und Ereignisse zu mir spricht? Findet das Nachdenken über die große Berufung Raum? Was ist meine Berufung als Ehefrau, als Ehemann, als Jugendlicher? Sprechen wir miteinander darüber? Denn Berufung muss ich mir immer auch vom anderen zusprechen lassen. Berufung ist nicht meine Privatentscheidung. Bereits der Apostel Paulus verknüpft den Eucharistieempfang und die Bereitschaft, der je eigenen Berufung nachzukommen. Die Eucharistie befähigt, ja drängt den Empfänger, seine Berufung zu realisieren. Paulus verwendet das Bild vom Leib mit den vielen Gliedern. Durch den Empfang des eucharistischen Leibes Christi werden wir, die Gläubigen, selbst neu zum Leib Christi, zur Kirche. Jeder von uns entfaltet eine ihm eigene Berufung und stellt in diesem Leib ein bestimmtes Glied dar. Meine Berufung führt mich über mich selbst hinaus in ein größeres Ganzes, in Christus. „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“, sagt Paulus (Gal 2,20). An Maria sehen wir: der Berufung zu folgen, gibt Christus Gestalt in der Welt. Jeder Empfang der Eucharistie ist also ein Bekenntnis: Herr, dein Wille soll meine Berufung sein.

Eucharistie heilt

„Gegrüßet seist Du Maria, du bist voll der Gnade“, beten wir im Ave Maria. Der Erzengel Gabriel begrüßte Maria bei der Verkündigung der Menschwerdung Christi mit diesen Worten: voll der Gnade. Das bedeutet höchste Zuwendung Gottes zu diesem Menschen in einer bislang nicht gekannten Fülle. Daher bezeichnen wir sie als Unbefleckte Empfängnis, als Person, die von der Erbsünde ganz und gar unberührt geblieben ist. Für uns besagt dieses Fest: wo Christus im Menschenleben ankommen darf, wo also Gottes Plan im Leben eines Menschen Raum findet, weil dieser Mensch in Hörbereitschaft gegenüber Gott lebt, wird das Leben heil, gnadenvoll. Das besagt nicht, dass Widrigkeiten des Lebens ausgeschlossen sind. Es ist aber die Zusage der bleibenden Nähe Gottes. Maria als der Mensch voll der Gnade ist die prophetische Vorausverkündigung des neuen Menschen, den Gott von Kreuz und Auferstehung seines Sohnes her beruft. Mariens Zustand voll der Gnade verheißt: Gott meint es auch mit mir und mit dir ernst, so misslich meine oder deine Lage im Augenblick sein mag. In der Eucharistie erhalten wir bereits an dieser heilenden Kraft Gottes Anteil. Daher dürfen wir unsere Sorgen und Lasten, unsere Leiden und Schwächen vor den eucharistischen Herrn tragen.

Amen