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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB am Tag der Ehejubilare, 9. Juli 2011, im Eichstätter Dom

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich Valerian de Souza, dem emeritierten Bischof unseres indischen Partnerbistums Poona, vom heutigen Tag der Ehejubilare berichtete, erzählte er mir folgende Geschichte:

Eine Frau, die die Feier des Goldenen Ehejubiläums vorbereitete, kam zum Pfarrer, um die Liturgie des Festgottesdienstes durchzusprechen. Der Pfarrer fragte sie bei der Gelegenheit, wie es ihr denn auf dem zurückliegenden Weg durch die fünf Jahrzehnte ergangen sei. Herr Pfarrer, begann die Frau, ich erinnere mich noch gut an die kirchliche Trauung vor 50 Jahren. Mein Mann und ich hatten damals wenig Geld wie auch unsere Eltern. Aber den Tag wollten wir so festlich begehen, dass wir uns immer gerne daran erinnern würden. Ich trug ein herrliches Brautkleid, das ich mir unter großen finanziellen Opfern zusammengespart hatte. Die Kirchenbänke und der Altarraum der Kirche ließen wir üppig mit Blumen schmücken, ebenso war mein Brautstrauß einfach wunderbar. Am Hochzeitstag schien die Sonne und der Kirchenraum mit den Kerzen und dem Blumenschmuck erschien wie ein Festsaal. Als wir die Kirche betraten, erklang Musik und der Chor begann zu singen. Die Hochzeitsmesse in der festlich geschmückten Kirche mit der Musik war einfach himmlisch. Wenn ich jedoch zurückblicke, muss ich zugeben, dass ich damals eines nicht beachtet hatte: In der Kirche hing auch ein Kreuzweg.

Liebe Ehejubilare, die Pointe dieser Geschichte wird Ihnen von Ihrer eigenen Erfahrung her nicht fremd sein. Auch Sie mussten irgendwann nach dem Hochzeitstag die Erfahrung machen, dass der gemeinsamen Weg immer wieder über Kreuzwegstationen führt. Das Glück pur, das Sie sich vielleicht am Anfang Ihrer Liebe erträumten, gibt es nicht. Freud und Leid sind im Leben oft nahe beisammen. Wir Menschen sehnen uns nach dem reinen Glück. Doch sind Freud und Leid, Positives und Negatives gerade im Ehe- und Familienleben wie Geschwister, die meist nur paarweise vorkommen.

Denken wir an den Bau eines Hauses. Selbst das schönste Haus auf dieser Welt kann nicht gebaut werden ohne Sand und Staub der Erde, die zu Mörtel gemischt werden, zu Mörtel, der verbindet.

Oder stellen wir uns eine Fahrt mit einem Segelschiff auf See vor. Der Wind kann leicht oder stark wehen und dann die Wellen hochpeitschen. Bei starkem Wind kann die Lage für das Schiff gefährlich werden. Und doch muss man mit dem Wind umgehen lernen, die Segel richtig setzen, damit das Schiff vorankommt

Freilich ist unsere Gesellschaft geprägt von einem ungeheueren Verlangen nach Glück. Unsere Lebenseinstellung hat sich in den letzten Jahrzehnten durch Fortschrittsglauben und eine gewaltige Glücksindustrie verändert. Denn unter Glück verstehen wir ein schmerzfreies Leben, ohne Beschwerden, ohne Konflikte und Einschränkungen, ein Leben im materiellen Überfluss. Glück in der Beziehung bedeutet für viele, so leben zu können, wie es die Regenbogenpresse und viele Medien von den Stars vermitteln.

Und wie schnell fühlt sich der Mensch angesichts solch eines Glücksbegriffs vom Leben überfordert, weil die Wirklichkeit eine andere ist. Zu hohe Erwartungen an den anderen und die zu rasche Enttäuschung übereinander sind das Ergebnis. Wie schnell wird aus einer so starken Glückssehnsucht die Erfahrung von Unglück.
Man trennt sich dann, wenn das Miteinander nicht mehr klappt, wenn Probleme und Krisen gehäuft auftreten. Man trennt sich, weil man keinen Spaß, keine oder zu wenig Freude miteinander hat.

Liebe Ehejubilare, auch Sie haben gewiss auf Ihrem Weg Sorgen und Konflikte durchstehen müssen, sie haben sich gegenseitig getragen und ertragen und wohl aneinander gerieben. Vielleicht waren Sie manchmal ratlos und wussten nicht, wie es gemeinsam weitergehen würde. Und dennoch sind Sie beisammen geblieben und haben Sie sich gegenseitig Treue gehalten.

Die kleinen und großen Schmerzen und Konflikte im Alltag einer ehelichen Beziehung können zermürben. Negative Gefühle entstehen im Inneren. Es schmerzt etwa, wenn der Ehepartner eigene Wege geht, sich verschließt und abkapselt. Es tut weh, wenn im Alltag Liebe und Anerkennung ausbleiben, wenn unterschiedliche Charaktere mit Emotionen aufeinanderprallen.

Andererseits hat der Herr das eheliche Miteinander im Sakrament der Ehe geheiligt. Das bei der Eheschließung gegebene Ja-Wort der Eheleute ist ein prophetisches Wort des Herrn, das gerade den schwierigen Situationen des Miteinander gilt. Das Ja-Wort der Eheleute im Trauritus ist Zusage des Herrn, auch dann noch gegenwärtig zu sein, wenn ein Partner auf den anderen hin Mut und Vertrauen verliert. Das Ja-Wort des Trauritus verheißt auf Seiten des Herrn: Ich, der Herr, bin da, bleibe euch nahe.
Liebe Schwestern und Brüder, wahres Glück ist weit mehr als Freude und Spaß miteinander zu haben. Wahres Glück in der ehelichen Beziehung entsteht dort, wo die Kraft der Gegenwart des Herrn wirksam wird.

Weil der Herr da ist und da bleibt in den Stürmen einer Beziehung, können die kleinen und großen Grenzerfahrungen im Miteinander zum Training werden für die Hoffnung. Der Partner nicht nur als Widerstand, sondern als mein Trainer!

Liebe Ehejubilare, weil Christus die Ehe als Sakrament geheiligt hat, sind negative Erfahrungen im Miteinander nur eine Seite der Realität, eben nicht die ganze Realität. Hinter negativen Erfahrungen kann sich ein Weg auftun.

Der Herr selbst sagt uns im Evangelium, dass Kreuze nicht Sackgassen des Lebens sein müssen, an denen man verzweifeln muss. Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. (Mt 16, 24)
Es gibt also angesichts des Kreuzes einen Weg, nicht irgendeinen Weg, sondern den Weg des Herrn. Weil die eheliche Gemeinschaft die gute Stube Gottes in dieser Welt ist, gibt es auch von den Krisen und Konflikten weg einen Weg zum Herrn.

Der Herr fordert uns nicht auf, Kreuz und Leid zu suchen, weil er uns ein glückliches Leben nicht gönnen würde. Er will schon gar nicht sagen, dass wir erst dann seine Jünger sind, wenn wir leiden, wenn wir uns nach dem Kreuz ausstrecken. Erst muss man Jünger Jesu sein wollen, Geschmack an der Zukunft Gottes haben. Dann lernt man, mit dem Kreuz umzugehen. Aus menschlicher Kraft allein kann man das Kreuz nicht tragen. Jesus verheißt dem Jünger und der Jüngerin: Die Erfahrung von Kreuz und Leid ist nicht Grund zur Verzweiflung. Das Kreuz soll für den Jünger nicht Sackgasse der Verzweiflung werden, sondern Wegweiser in die Zukunft. Das Kreuz als Einladung zum Training auf dem Weg Jesu.

Mit dem Evangelienwort „Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir“ sagt uns der Herr: Negativerfahrungen schließen Dich nicht vom wahren Glück aus. Nimm auch Deine Kreuze als Eintrittskarte für die Zukunft, die ich gebe. Du kannst in Situationen, in denen du dich als Verlierer fühlst, Mensch der Zukunft werden, mein Jünger! Den Jünger zeichnet aus, unterwegs zu sein auf dem Weg Jesu, ob der Jünger nun Freude mit sich trägt oder Kreuze.

Sie haben vom „walk of fame“ in Hollywood gehört. Die Namen berühmter Stars der Film- und Unterhaltungsbranche werden auf einem Gedenkstein in eine der wichtigsten Straßen Hollywoods eingelassen. Die in den Augen der Gesellschaft Erfolgreichen, die scheinbar Glücklichen, die es zu Reichtum und Ansehen gebracht haben, finden sich dort verewigt. Viele träumen von diesem Weg, der aber nicht selten ein eher oberflächliches Leben bezeugt.

Der Herr, der in Ihrem ehelichen Miteinander zugegen ist, hat sie auf einen alternativen „walk of fame“, auf den wahren „walk of fame“ eingeladen, auf den Weg der ehelichen Gemeinschaft als Jüngerin und Jünger Jesu. Über viele Jahrzehnte sind sie miteinander durch das Leben gegangen in Freud und Leid, sie haben sich getragen und ertragen. Es ist dieser Weg ein Training miteinander und aneinander auf den Spuren Jesu.
Nicht das Kreuz, sondern die Spur Jesu führt zum wahren Glück. Dies besteht darin, zu erfahren, dass der Herr selbst im Leben gegenwärtig ist, dass ich, dass wir aus seiner Kraft heraus leben.

Ohne meinen Glauben hätte ich all das nicht tragen können, sagen mir immer wieder Menschen, wenn sie mir von ihrem Lebensweg und ihrem Schicksal erzählen. Ein solcher Satz ist für mich ein Zeugnis vom Weg der Verwandlung. Ein Mensch, der das sagen kann, hat erfahren: Gott ist da im Leben. Deshalb konnte er durch die Herausforderungen und Krisen in der Ehe hineinwachsen in die größere Liebe gegenüber dem Ehepartner. Deshalb kann ein Mensch mit einer solchen Erfahrung immer wieder verzeihen und sich selbst Verzeihung schenken lassen.

Liebe Ehejubilare, dass Sie auf Ihrem ehelichen Weg ein wenig von diesem wahren Glück erfahren durften, ist mein Wunsch an Sie. Ferner, dass Sie weiter im Training bleiben und daran denken, Beschwernisse, Kreuze sind nicht das Ende des Weges, sondern Aufforderungen, den Weg mit dem Herrn zu gehen.

Liebe Ehejubilare, machen Sie mit diesen Ihren Erfahrungen der jungen Generation Mut. Die Jugend braucht Ihr Zeugnis, dass der Weg der ehelichen Gemeinschaft trotz aller Beschwerden ein guter Weg ist. Die junge Generation braucht Ihr Zeugnis, dass der Herr auf dem Weg des ehelichen Miteinanders gegenwärtig ist und dass wahres Glück erst dort erfahrbar wird, wo man gemeinsam aus der Gegenwart des Herrn und aus seiner Kraft lebt. Dann aber lassen sich die Schwierigkeiten und Herausforderungen auf diesem Weg oft als Einladung zum Training deuten. Begleiten Sie die jungen Menschen in Ihrer Familie mit einem solchen Erfahrungsschatz.

Liebe Ehejubilare, als Jüngerinnen und Jünger Jesu waren Sie in der zurückliegenden Zeit miteinander unterwegs, gemeinsam wollen Sie Freud und Leid auf diesem Weg in Zukunft tragen. Der Herr ist mitten unter uns, durch Ihr Ja-Wort, das Sie sich bei der Trauung gegeben haben. Jede Eucharistiefeier erneuert und stärkt das Ja-Wort und die Gegenwart des Herrn in Ihrem ehelichen Bund. Nun wollen wir uns in der Eucharistiefeier dankbar in die Gegegenwart des Herrn stellen und seine Kraft, das wahre Glück für die Zukunft erbitten.

Amen.