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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB anlässlich der Jahrestagung der Umweltbeauftragten der Diözesen Deutschlands am 25. März 2014

Liebe Schwestern und Brüder,

wir feiern heute das Hochfest „Verkündigung des Herrn“. Der Engel Gabriel tritt in Nazareth in das Haus Mariens ein und holt ihr Ja-Wort ein für Christi Menschwerdung aus ihr. Gott überfällt den Menschen nicht. Er betritt diese Welt am liebsten durch die Tür der menschlichen Freiheit, sofern sie sich ihm nur öffnet.

Menschwerdung Gottes und die neue Schöpfung

Der Engel verheißt Maria die Herabkunft des Hl. Geistes. Wie der Geist über den Wassern der Urflut schwebte und die erste Schöpfung bereitete, so liegt er nun über Maria, der Person voll der Gnade, um die neue Schöpfung durch Christus zu bereiten.
Doch die neue Schöpfung will nicht nur wiederherstellen, was durch die Schuld Adams verloren gegangen war. Er, Gott, tritt als Mensch in die Schöpfung ein, um dem Menschen und der Schöpfung eine noch größere Fülle zu eröffnen als es sie je gab.

Der heutige Festtag mit seinem Verweis auf die neue Schöpfung ist ein guter Zeitpunkt für die Tagung derer, die in den Diözesen für Ökologie und Schöpfungsspiritualität Verantwortung tragen.

Einsatz für die Schöpfung wird oft unterschätzt

Mir ist durchaus bewusst, dass dem Einsatz für Ökologie und Schöpfungsspiritualität innerkirchlich nicht überall der Stellenwert zugemessen wird, den unser kirchliches Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer der Welt, und unser Glaube an Christus, die Mitte der Schöpfung, erwarten ließe.
Das Engagement für die Schöpfung hat die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten im Blick. In kirchenamtlichen Kreisen wird die Bedeutung dieses Themas durchaus gesehen,
aber häufig eingegrenzt auf den ethisch-ökonomischen Aspekt, etwa im Blick auf die sog. Dritte-Welt-Problematik oder manchmal auch wieder mehr unter asketischem Aspekt. Der Sorge für unsere Um- und Mitwelt kommt im Gesamtkonzert kirchlichen Handelns eher die Rolle einer Kür zu, der man sich verschreiben kann, wenn erst einmal der Verkündigungsdienst, die Sorge um Schulen und Caritas abgedeckt sind. Sicher erachtet man das kirchliche Engagement für Schöpfung und Umwelt als bedeutsam, weil darin eine Realisierung unserer Zeitgenossenschaft gesehen wird. Denn die Kirche soll ja auf brennende Fragen des menschlichen Lebens Antwort geben. Und doch ist festzustellen, dass in den Köpfen und Herzen die Umweltsorge vor allem als politisches Thema, als Aufgabe der Ökonomen gesehen wird.

Schöpfung ist durch Christus und auf ihn hin geschaffen

Wir glauben an Gott den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Das Bekenntnis zum Schöpfergott lässt sich nicht vom Bekenntnis zur Schöpfung trennen. Dies wird durch die Schöpfungsmeditation neutestamentlicher Schriften deutlich, wonach Gott nicht nur Schöpfer ist, sondern alles in Christus und auf Christus hin geschaffen hat. Die Schöpfung aber ist in gewisser Weise durch die Präsenz der Kirche in der Welt der kosmische Christusleib.

Der Verfasser des Kolosserhymnus (Kol 1, 20) meditiert über das Christusgeheimnis in der Schöpfung. „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen.“ Die Schöpfung ist kein Materiehaufen, kein Steinbruch für die Bedürfnisse des Menschen. Durch Christi Kommen im Fleisch offenbarte Gott, dass die Schöpfung ein Ziel hat. Sie ist auf Christus hingeordnet. Die Schöpfung gehört zu Christus, wiewohl sie dem Mensch auch Grundlage seiner Existenzsicherung bieten soll.

Geschwisterlichkeit mit der Schöpfung wurzelt in der Beziehung zu Christus

Wir, die wir auf Christus Jesus getauft sind, sind Brüder und Schwestern dessen, dem alles im Himmel und auf Erden zugeführt wird. Aus unserer Christus-Beziehung erwächst eine Geschwisterlichkeit mit der Schöpfung. Das unterscheidet uns Christen in unserem Einsatz für die Schöpfung von jenen ökologischen Ansätzen, die aus Angst vor der Zukunft zum Ressourcensparen aufrufen und den Menschen Verhaltensweisen vorschreiben möchten, die primär den Erhalt der Ressourcen zum Ziel haben. Christusgläubigkeit verändert die Sicht des Lebens. Denn in Ihm erfahren wir uns als Beschenkte, als von Gott Geliebte und darin als befähigt, selbst Beziehung zu leben. Sucht nach Besitz ist die Umkehrung von Beziehung. Unsere Orientierung auf Christus hin als Mitte der Schöpfung will befreien von allen Zwängen des Habenmüssens. Christus als Ereignis von Begegnung heilt unser Inneres, in dem Gedanken wachsen, die – zur Tat geworden – das Gleichgewicht in der Schöpfung gewaltsam stören. Es ist also die Gemeinschaft mit Christus, die uns in die Geschwisterlichkeit, in die Symphonie zwischen Mensch und Schöpfung ruft, da sie uns die Freiheit von unserem falschen Ego eröffnet. Sorge für die Schöpfung, rechter Umgang mit ihr wird Ausdruck der Geschwisterlichkeit.

Franz von Assisi: Einheit mit der Schöpfung durch Einheit mit Christus

Am hl. Franziskus lesen wir ab, wie wunderbar die Einheit des Menschen mit der Schöpfung ist, wenn ihr die Einheit mit Christus zugrunde liegt. Franziskus war so eins geworden mit seinem Herrn, dass er selbst körperlich Christus glich. Er trug die Wundmale des Herrn an seinem Körper. Aus dieser gelebten Einheit mit Christus, auf den hin alles geschaffen ist, wurden ihm Sonne, Mond, Wasser, alle Geschöpfe, selbst der Tod zu Geschwistern. Sein Sonnengesang legt Zeugnis ab von seiner liebenden Beziehung zu Christus, die ihm die ganze Schöpfung Familie sein ließ.

Der Gedanke von der Geschwisterlichkeit zwischen Mensch und Schöpfung ist also etwas durch und durch Christliches. Jedoch kann sie nur aus der Verbindung mit Christus wachsen, ansonsten verfielen wir in unserer Zuneigung zur Schöpfung entweder dem Spiritismus und Schamanentum oder einem Naturalismus, der besagt: alles ist Natur, darüber hinaus gibt es nichts. Wenn ich Christus zur Bruder und Schwester geworden bin, kann ich die geschaffene Welt als Haus Gottes sehen, hingeordnet auf Christus.

Einsatz für die Schöpfung ist angewandte Christologie

Liebe Schwestern und Brüder, unser Einsatz für die Schöpfung ist keine pastoraltheologische Nische oder eine zeitgemäße Akzentuierung kirchlichen Handelns, es ist angewandte Christologie! Der Christusglaube will die Symphonie zwischen Gott und Schöpfung, zwischen Mensch und Umwelt erklingen lassen.

Diese Sicht in den Verantwortlichen und im ganzen Leib der Kirche zu wecken und uns dafür einzusetzen, ist eine große und schöne Aufgabe, die unsere persönliche Christusbeziehung braucht.
Das bedeutet, IHM immer wieder zu begegnen, in der Schönheit der Natur, im Antlitz der Mitmenschen, in seiner Kirche und in der Feier der Liturgie. Aus der Begegnung mit Christus wird Begegnung mit Menschen und der Welt und umgekehrt, Begegnung mit der Schöpfung. Begegnung, die in liebende Beziehung mündet, ist der christliche Weg, der Gewalt und Ausbeutung ausschließt.

Amen.