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Im Wortlaut

Hirtenwort des Bischofs von Eichstätt Gregor Maria Hanke OSB zur Österlichen Bußzeit am 1. Fastensonntag, dem 9. März 2014

„Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die
Jesus begegnen.“

Liebe Schwestern und Brüder, mit diesen Worten beginnt Papst Franziskus sein jüngst veröffentlichtes Apostolisches Schreiben Freude am Evangelium - Evangelii gaudium (EG). Die Freude am Evangelium drängt danach, sich mitzuteilen, schreibt der Hl. Vater. Es ist eine Freude, die zum missionarischen Aufbruch wird, die dazu bewegt, hinauszugehen aus der eigenen Bequemlichkeit und den Mut verleiht, alle Randgebiete zu erreichen, die das Licht des Evangeliums brauchen (EG 20).

Diese Worte des Papstes beschreiben den Weg der Kirche, den zu gehen sie seit Ostern berufen ist: aus Freude über die Begegnung mit dem Auferstandenen aufzubrechen und die Frohe Botschaft hinauszutragen bis an die Enden der Erde. Es ist der Weg, den der Auferstandene seinen Jüngern vorzeichnete mit den Worten: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16, 15).

Liebe Schwestern und Brüder, die österlichen Bußzeit hat begonnen. Die Wochen und Tage der Vorbereitung auf die Feier des Todes und der Auferstehung des Herrn sollen eine Erneuerung und Vertiefung unserer Berufung zur Freude am Evangelium sein. Die Freude des Evangeliums drängt zum missionarischen Aufbruch. Freude und Aufbruch gründen in der Begegnung mit dem Auferstandenen. Nehmen wir die Einladung des Hl. Vaters in dieser Fastenzeit an.

Das österliche Wunder der Verwandlung zur Freude
Die Evangelien bezeugen, dass die nachösterlichen Begegnungen der Frauen und Jünger mit dem auferstandenen Herrn Quelle der Freude waren und eine Verwandlung bewirkten.

Nach Jesu Verhaftung und Tod am Kreuz hatte Furcht und Trauer die kleine Schar ergriffen. Wo sich der Mensch in seinen Empfindungen, in seiner Sichtweise und in seinen Deutungsmustern einschließt, trübt sich sein Blick für das Licht der Liebe Gottes. Sein abgesenkter Blick, sein eingegrenzter Horizont hindert ihn zu sehen, wie Gott am Werk ist. So vermochten auch die Jünger und Maria Magdalena den Auferstandenen zunächst nicht zu erkennen. Seine Erscheinung versetzte sie sogar in Schrecken. Doch dann kommt es zu einer wirklichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Die Begegnung führt zur Verwandlung von Unglaube, Trauer und Zweifel hinein in die Freude am Wirken Gottes, das sich am Auferstandenen offenbart. Dieses österliche Wunder der Verwandlung der Menschen, denen Jesus begegnet, zieht sich wie ein roter Faden durch die Osterberichte hindurch. Dieses Osterwunder ließ die junge Kirche wachsen: aus einem Saulus wird durch die Begegnung mit Jesus ein Paulus, der große Missionar.

Liebe Schwestern und Brüder, die Frohe Botschaft lässt sich nur aus der Freude weitergeben, die der Begegnung mit dem Herrn entspringt. Weder gedruckte Bücher, noch pastorale Konzepte oder Imagekampagnen können diese Freude mitteilen. Die Freude des Evangeliums entzündet sich in den Menschenherzen von heute durch Getaufte und Gefirmte, die von der Begegnung mit dem auferstandenen und erhöhten Herrn erfüllt sind, für die Christus in ihrem Leben „Ereignis“ bleibt.

Christus als Ereignis in meinem Leben – sich der Liebe des Herrn aussetzen
Was bedeutet „Christus als Ereignis“?
Durch die Kirche wird uns verkündet, dass der Herr auferstanden und wahrhaft gegenwärtig ist. Und doch gleicht der Weg unseres Glaubens oftmals dem der Jünger nach Karfreitag. Freudlos, ja traurig sind wir in der Kirche unterwegs. Wir empfinden den Weg des Christseins als mühselig und beschwerlich und gehen auf Distanz, da uns der Glaube nichts zu bringen scheint. Wir feiern die Liturgie mit und hören Gottes Wort, wir beten, wir setzen uns ein für andere. Wir lassen uns erinnern an Christi Heilstaten, aber es ereignet sich nichts in uns.
Wir sehen Jesus nur noch als ein lebloses Bild, ein ehrwürdiges Denkmal. Denkmäler und Grabsteine dienen der Erinnerung an Ereignisse, aber sie sind selbst kein lebendiges Ereignis. Es fehlt die tiefe Begegnung zwischen dem Herrn und uns. Wir verharren in der Zuschauerrolle. Deshalb herrscht in uns oft Unlust und Dürre, weil die Wirklichkeit Christi kein Ereignis in unserer Erfahrung werden kann.

Christus will in meinem Leben nicht die Rolle eines steinernen Mahnmals einnehmen, das an ein vergangenes Ereignis erinnert. Der Auferstandene möchte nicht in die Geschichte verbannt werden. Er hat Sehnsucht nach meiner Gegenwart, nach meinem Leben. Wie den Frauen und Jüngern nach Ostern möchte er auch mir in meinem Leben nahe sein. Erst die Erfahrung seiner Gegenwart schenkt Freude und drängt zum Aufbruch, drängt danach, aus dem Trott der Bequemlichkeit hinauszugehen und das Licht des Evangeliums in die Welt zu tragen.

Für die Emmausjünger, für Maria Magdalena wurde der Auferstandene zum Ereignis, das fortan für ihr Leben bestimmend sein sollte. Zunächst standen sie dem Unbekannten distanziert gegenüber, beschäftigt mit den eigenen Vorstellungen über das am Karfreitag Geschehene. Doch dann traten sie in die Begegnung mit dem Auferstandenen ein!

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht drückt das Bild einer Mutter, die ihr kleines Baby anlächelt, das Wesen der Begegnung mit dem Auferstandenen am nachdrücklichsten aus. Die Mutter, die ihrem Baby immer wieder ihr Lächeln schenkt, weckt dadurch im Kind die Liebe. Irgendwann lächelt das Kind zurück, irgendwann erhält die Mutter das Geschenk der Liebe zurück.

Der auferstandene und erhöhte Herr ist gegenwärtig und blickt uns immer schon liebevoll an: in der Gemeinschaft der Kirche, in seinem Wort, in der Feier der Sakramente, in vielen kleinen Zeichen auf unserem Lebensweg, durch Menschen, deren Weggemeinschaft mit uns kein Zufall ist. Doch unsere Augen richten sich nicht auf ihn, wir bleiben abgewandt von seinem liebevollen Blick, da wir uns in ängstlicher Sorge um unser Ego, in eigenen Interessen, Vorstellungen und Urteilen verschließen. Das Unvorhergesehene Gottes sind wir nicht in der Lage wahrzunehmen.

„Simon, liebst du mich?“ Diese Frage richtet der Auferstandene am Ende des Johannesevangeliums an Petrus. Die Frage nach der Liebe gilt nicht nur dem Simon Petrus, sie richtet sich auch an uns. „Liebst du mich?“ Damit fragt uns der Herr: „Hast du erkannt, dass ich dir nahe bin und meinen liebenden Blick auf dich richte?“

Der Weg zur Begegnung mit dem Auferstandenen führt über meine Ränder
Liebe Schwestern und Brüder, Papst Franziskus ermuntert immer wieder, an die Ränder zu gehen. Ich sehe darin einen wunderbaren geistlichen Rat, um die Begegnung mit dem Auferstandenen zu erfahren und zu vertiefen. Ja, für die Begegnung mit dem Auferstandenen ist es wichtig, an die Ränder zu gehen. Aber zunächst an meine eigenen Ränder: dorthin, wo ich mich sündig mache im Handeln und durch Unterlassung des rechten Handelns, an die Grenzen meines Charakters, an die dunklen Stellen meiner Gedankenwelt, an meine Vorurteile. Die Sehnsucht nach Christus, der wahren Mitte des Lebens, vertreibt die Angst vor dem Weg an die eigenen Ränder.

Der Weg zur Begegnung mit dem Auferstandenen und zur Freude des Evangeliums führt über meine eigenen Ränder und Grenzen. Dort kommt es wie für den zweifelnden Thomas zur Berührung des Herrn, dort erweckt er in mir die Freude an der Gemeinschaft der Brüder und Schwestern. Diese wiederum ist der fruchtbare Boden, aus dem die Freude des Evangeliums erwächst.

Liebe Schwestern und Brüder, brechen wir in der österlichen Bußzeit aus der eigenen Bequemlichkeit auf und gehen mutig an die eigenen Ränder. Erlauben wir dem Herrn, unsere Grenzen aufzuheben, uns über uns selbst hinauszuführen, wie es Papst Franziskus formuliert (EG 8).
Setzen wir uns dem liebenden Blick des Herrn aus im Empfang des Sakramentes der Versöhnung, in der Beichte, durch unsere Bereitschaft zu vergeben und zum Neubeginn im Miteinander. Dem Wunder der österlichen Verwandlung in unserem Leben Raum geben!
Aufbruch ist die Frucht österlicher Verwandlung, wie sie sich in der jungen Kirche nach Ostern ereignete.

Liebe Schwestern und Brüder! Von Herzen wünsche ich uns allen in dieser österlichen Vorbereitungszeit Mut, die eigenen Ränder aufzusuchen. Dazu segne und behüte Euch der allmächtige und gütige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Eichstätt, Aschermittwoch, den 5. März 2014

Ihr

Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt