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Im Wortlaut

Fünf Säulen ökumenischen Handelns

Rede von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zum Neujahrsempfang des Diözesanrats 2007 (gekürzte Fassung)

Dem Auftrag des Herrn: auf dass sie eins seien, weiß ich mich als neuer Bischof verpflichtet. In unserem Bistum richtet sich der Fokus in der praktischen Ökumene zunächst auf unsere evangelischen Schwestern und Brüder. Auf fünf Säulen sollte nach meinem Dafürhalten die ökumenische Arbeit aufruhen.

1) Gebet
2) Konkrete Begegnungen und ökumenischer Dialog
3) Das Aushaltenkönnen von Spannungen und Differenzen im Dialog: ökumenische Frustrationstoleranz
4) Gemeinsamer Einsatz für Gesellschaft und Welt im Geiste Jesu
5) Ausblick auf die größere Ökumene

1. Gebet

Wir begehen jedes Jahr die Gebetsoktav um die Einheit der Christen. Die geschichtlichen Wurzeln dieser nicht mehr wegzudenkenden Gebetsinitiative reichen in die Gebetspraxis der protestantischen Tradition. Wir getrennten Christen schließen uns besonders in dieser Woche zu einer Gebetsgemeinschaft zusammen. Gerade im Gebet, besonders beim gemeinsam gebeteten Herrengebet, dem Vater unser, und beim gemeinschaftlichen Lesen und Hören des Wortes Gottes antizipieren wir unser aus der Taufe kommendes Kindsein vor Gott als etwas Gemeinsames, das alle Barrieren punktuell und spirituell übersteigt, wohingegen die sakramentale und damit bleibende Ausdrucksform dieser Kindschaft immer noch Gegenstand unseres Ringens ist. Gebet und gemeinsames Beten transzendieren schon jetzt ein Stück weit unsere real vorhandenen Grenzen.

2. Konkrete Begegnungen und ökumenischer Dialog

Ein wirklicher Dialog entsteht dann, wenn die Dialogpartner ihre Identität einbringen. Ohne das Wissen um die eigene Position kann ein echter Dialog nicht gelingen, denn wie sollte sich Begegnung ereignen können, wenn mir selbst nicht klar ist, wer ich bin. Unschärfen in der eigenen Identität oder das Verschweigen von Positionen, die dem Gesprächspartner unangenehm sein könnten, um eines lieben Friedens willen verhindern im Dialogprozess auf Dauer Früchte. Der ökumenische Dialog lädt uns getrennte Christen ein, die je eigene Tradition besser kennen zu lernen und in einem weiteren Schritt die des Dialogpartners.

All das basiert letztlich auf der Haltung des Hörens. Die Kunst des Hörens ist der Beginn eines jeden Dialogs. Dazu ermuntere ich vor allem unsere Ökumene-Beauftragten in den Pfarreien, die in konfessionsverschiedenen Ehen lebenden Christen, aber auch alle Gläubigen, denen die Einheit ein besonderes Anliegen ist.

Da uns die Taufe auf den dreifaltigen Gott in gewisser Weise zur Familie des Vaters eint, sollte der ökumenische Dialog zugleich von menschlicher Begegnung getragen sein. Theologische Fachgespräche und Papiere alleine bringen uns nicht voran. Die wechselseitige Wertschätzung für die individuelle Glaubensgeschichte und für den Weg der Gottsuche sind wir uns als Kinder des einen Vaters schuldig. Gestatten Sie mir, eine persönliche Note anzufügen. Für mich persönlich ist es auferbauend, aktuellen oder auch geschichtlichen Glaubenszeugnissen aus der protestantischen Tradition zu begegnen. Als Benediktiner betrachte ich beispielsweise Dietrich Bonhoeffers Büchlein „Gemeinsames Leben“ als faszinierenden praktischen Kommentar zur Regel Benedikts. Aus diesem Buch habe ich viel gelernt für die Gestaltung meines Alltags im Geist der Regel Benedikts.

3. Das Aushaltenkönnen von Spannungen und Differenzen: Frustrationstoleranz

Immer wieder stoßen wir in unseren ökumenischen Bemühungen an Grenzen, die wir gern beseitigt wüssten, weil sie uns schmerzen. Gerade mit den uns räumlich so nahen protestantischen Christen ist die gemeinsame Feier der Eucharistie bzw. des Abendmahls als Interzelebration nicht möglich, da die Unterschiede in der Eucharistie- bzw. Abendmahlslehre zu gravierend sind.

Auch die von manchen erwünschte wechselseitige individuelle eucharistische Gastfreundschaft, der Kommunionempfang für evangelische Christen in katholischen Gottesdiensten bzw. für katholische Christen in evangelischen Gottesdiensten, ist aufgrund der Differenzen nicht möglich.

Sich darüber hinwegzusetzen hieße, feiern zu wollen, was in der Realität nicht gegeben ist. Damit verbunden ist die Frage nach der Sakramentalität der Kirche, die, wie sie katholischerseits formuliert ist, von einem konsequenten Protestanten nicht ohne weiteres bejaht werden kann. Ebenso umstritten ist im ökumenischen Dialog (vgl. Adolf von Harnack) die Stellung des Petrusdienstes.

Müssten sich nicht die katholische und evangelische Seite kompromissbereiter zeigen, lautet oftmals die Frage an der Basis, um die Ökumene voranzubringen?

Einheit im Geist der Bitte Jesu wächst freilich nicht nach Art politischer Koalitionsverhandlungen, die letztlich auf Kompromissformeln basieren. Im ökumenischen Prozess erfordert die Differenz zwischen erstrebtem Ziel und erlebter Wirklichkeit von allen Beteiligten viel Geduld. Im deutschen wie im lateinischen Begriff Geduld - patientia steckt dulden - pati erleiden. Wer sich der Ökumene verschreibt, benötigt Frustrationstoleranz, aber nicht im Sinne eines Defätismus, sondern im Geist der im Pfingstsaal versammelten und wartenden Jüngerschar vor der Ankunft des Gottesgeistes. Um diese spirituelle Haltung im Pfingstsaal sollten wir uns mühen, wo immer wir im ökumenischen Prozess auf Grenzen stoßen.

4. Gemeinsamer Einsatz für Gesellschaft und Welt im Geiste Jesu

Das Klagen, es gehe in der Ökumene nichts voran, lässt uns mitunter vergessen, welche Chancen wir für den gemeinsamen Weltdienst im Geiste des Evangeliums trotz der Trennung haben. Gemeinsam und auf ganz praktische Weise engagierten sich katholische und evangelische Christen immer wieder, um in gesellschaftliche Fragestellungen und Probleme christliche Aspekte einzubringen. Ich erinnere nur an das Thema Schöpfung bewahren. Gerade im Fall der Ökologie arbeiten evangelische und katholische Christen seit langem zusammen. Durch die Art der Berichterstattung über den jüngsten Münchner Klimagipfel und Umweltpakt (Januar 2007) könnte der Eindruck entstanden sein, als ob der Staat die Kirchen erst in das Boot ökologischen Handelns holen musste. Allein in unserer Diözese ließen sich eine Reihe von Projekten benennen, denen eine gesellschaftliche Vorreiterrolle zukommt. Neben Plankstetten darf ich exemplarisch an die ökologische Vorbildfunktion unseres Jugendhauses Schloss Pfünz erinnern, an die vielfältigen Initiativen der KLJB seit den 80-er Jahren. Dem Eindruck, die Kirche müsste ins Boot der Ökologie geholt werden, ist ferner entgegenzuhalten, dass engagierte Christen überregional zu den Vorreitern ökologischen Handelns gehörten, und viele Initiativen wurden in ökumenischer Verbundenheit durchgeführt.

Der gemeinsame Einsatz um die Weltgestaltung im Geiste Jesu bewahrt uns vor einer Negativ-Ökumene, die primär auflistet, was noch nicht möglich ist, aber übersieht, was wir jetzt schon im Namen Jesu gemeinsam zu tun hätten.

5. Ausblick auf die größere Ökumene

Im katholisch-evangelischen Dialog dürfen wir freilich nicht übersehen, dass es – um die Worte Jesu zu verwenden - noch andere Schafe gibt, die nicht von diesem Schafstall sind, die aber ebenso eingeschlossen sind in Jesu Bitte an den Vater um die Einheit: die Christen des Ostens. Gewiss spielt sich hierzulande die praktische Ökumene primär zwischen Katholiken und Protestanten ab. Ökumene im eigentlichen Sinn des griechischen Ursprungswortes darf aber den Blick auf das Ganze nicht vergessen. Dazu gehört eben auch der christliche Osten. Das Ganze muss sich im Teil wieder finden. Ökumenische Bemühungen und Erfolge zwischen Katholiken und Protestanten können nicht vom theologischen Horizont des christlichen Ostens absehen. Vielleicht ist das gerade von evangelischer Seite noch mehr in Blick zu nehmen, denn manche Hindernisse im ökumenischen Prozess, die  da und dort auf eine Unbeweglichkeit mit der katholischen Kirche zurückgeführt werden, sind in Wirklichkeit Fragen, die die große Ökumene betreffen. Das Ganze muss sich in den Teilschritten wieder finden. Deswegen misst Papst Benedikt XVI. dem Blick auf den christlichen Osten einen solchen Stellenwert bei.

An der ökumenischen Bewegung wird beispielhaft ersichtlich, welch wichtige Rolle unseren Laien im Bistum in genere zukommt, damit die Ortskirche von Eichstätt ihre Sendung erfüllen kann. Ich danke an dieser Stelle allen, die in der Ökumene engagiert sind. Mein Dank richtet sich speziell an die Ökumenebeauftragten in den Räten unseres Bistums, sowie an die Mitglieder der diözesanen Ökumenekommission.