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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zur Diakonenweihe in Eichstätt am 27. Juni 2015

Liebe Schwestern und Brüder,

vier Bewerber für das Priesteramt darf ich heute in die erste Stufe des Ordo aufnehmen und sie zu Diakonen weihen.

Mit dem Diakon – griechisch diákonos – verbindet sich der Auftrag und die Sendung zum Dienen in der Kirche, aber auch das Dienen der Kirche selbst. Kam doch Christus, das Haupt der Kirche, als eigentlicher Diakon, als Diener der Menschen. Die neutestamentlichen Schriften kennen viele Ausdrücke für unser deutsches „Diener“. Doch dem diákonos kommt eine besondere inhaltliche Bedeutung zu. Während im griechischen Alten Testament der Begriff diákonos nur siebenmal Verwendung findet, weist das Neue Testament einhundert Stellen auf, in denen diákonos oder eine verwandte Wortform gebraucht wird. Schon daraus wird die große Bedeutung des Themas Dienens für das Christsein ersichtlich.

Dienen war das Innerste der Sendung Christi auf Erden, der von sich selbst sagte, der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele (Mk 10,45). Diese Haltung Christi muss auf die ganze Kirche übergehen, die der Leib Christi ist, und insbesondere auf die sakramental bestellten Diener Gottes und des Volkes Gottes.

Das Herrenwort vom Dienen folgt im Evangelium nach Markus der Bitte von Jakobus und Johannes an Jesus, ihnen die Ehrenplätze zu seiner Rechten und Linken im kommenden Reich zu verleihen. Als die beiden Jünger ihre Karrierevorstellung für das Reich Jesu vortrugen, empfanden sie weder Scham noch Gewissensbisse. Sie wähnten sich in ihrer Haltung gar als gute Knechte ihres Meisters.

„Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein … Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern zu dienen.“ (Mk 10,43.45)

Die Versuchung ist heute unter den Jüngern ebenso real wie damals zu Lebzeiten Jesu.

Da wird dem Herrn der Belohnungswunsch für den ihm geleisteten Dienst im Herzen vorgeschrieben oder im stillen Gebet erfleht. Da bestimmt das Begehren des eigenen Egos das Verhalten bis hin zu Karrierewünschen unter dem Anschein demütigen Dienens.

Damals wie heute verkündet der Herr der Jüngerschaft: mein Weg und der Weg mit mir ist der des wahren Dienens.

Nicht Dienstleistung! Denn damit lässt sich gut verdienen: sowohl materiell wie auch an Ansehen und Einfluss. Als Dienstleistungsgesellschaft hat Jesus seine Jüngergemeinde, seine Kirche nicht gewollt.

Es ist der Evangelist Johannes, der uns im bewegenden Bild der Fußwaschung das erschließt, was Jesus unter dienen versteht.

Ausgerechnet bei der eindrücklichen Szene der Fußwaschung kommt kein einziges Mal das Wort diákonos vor - oder das griechische Verbum, das Tätigkeitswort diakonein. Und doch veranschaulicht das Bild der Fußwaschung mehr als jede Rede, was das Dienen im Geiste Jesu bedeutet. Bibelausleger betonen ja, die nur bei Johannes überlieferte Fußwaschung im Abendmahlsaal müsse man als Exegese Jesu für sein Wort verstehen, dass er nicht gekommen sei, sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben.

Was aber bedeutet dienen heute, in unserer Kirche? Allzu leicht wird das Wort „dienen“ im Mund geführt und öffentlich eingefordert von der Kirche. Andererseits verbinden sich in der säkularen Gesellschaft mit „dienen“ klischeehafte Vorstellungen: Dienen als Zeichen der Ohnmacht, Vorstellungen von niedrigen, ja unwürdigen Diensten, die Einteilung von gesellschaftlich oben versus unten. Unsere Zeit ruft hingegen nach Dienen durch Partizipation an Prozessen und Mitbestimmung.

Es wäre eine Verkürzung, wollte man kirchliches Dienen nur von seiner sozialen Seite und von materieller Bedürfnislosigkeit her verstehen.

So sollte auch der Diakon inhaltlich nicht reduziert werden auf caritatives und liturgisches Dienen, auf den Dienst an sozialen Brennpunkten und in Notlagen, so wichtig diese Dienste sind. Es geht bei seinem Dienen aber nicht nur um den sogenannten Dienst an den Tischen. All das können sozialkompetente Menschen gleichfalls tun.

In der weltlichen griechischen Literatur der Antike findet sich das Wort diákonos zusätzlich in der Verwendung für Bote und Gesandschaft.[1] Liebe Diakone, es lohnt, Eure künftige Sendung als Diakone von daher zu skizzieren.

Derjenige, der von der Kirche zum Diakon bestellt wird, ist damit Bote eines Größeren. Er hat als Bote so zu handeln, dass in ihm der Sendende zu erkennen ist: der Herr selbst!

Der Rückbezug des Diakons als Bote auf den ihn Sendenden verweist zunächst einmal auf die Bedeutung der Einheit mit Christus. Du kannst nicht Bote dessen sein, den Du nicht kennst. Du bist andererseits wahrer Diakon, wenn Du in Übereinstimmung lebst mit dem Herrn, der Dich aussendet. Als Diakon musst Du in ihn hineingewachsen sein und immer mehr hineinwachsen, damit Du seine dienende Gesinnung annehmen kannst. Vor allem diakonalen Profil hat das Sein mit Christus als dem Dienenden zu stehen: Du willst mit Christus durch Dein Leben charakterverwandt und in der Eucharistie blutsverwandt werden.

Ohne das beständige Wachstum Christi im Diakon bliebe das Dienen nur soziale Hilfe und Dienstleistung. Ja, wenn im Geweihten die Seelenverwandtschaft mit Christus schwach wird, droht die Sendung zum Dienen gar zur Belastung oder zum Instrument für Laufbahn und Karriere zu werden. Die Einheit mit der Gesinnung Jesu ist wichtig. Ihr, liebe Weihekandidaten, müsst dran bleiben an der Vertiefung der Beziehung mit Christus, nicht zuletzt durch das Verweilen beim Herrn im Gebet und durch Schriftlesung, durch die Entdeckung des verborgenen und Herrn in den Menschen um Euch herum!

In jeder Laudes beten wir das Benedictus, den Lobgesang des Zacharias. Dort heißt es: Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten.

Der Diakon ist einer, der durch seine Dienste verkündet, dass der Eigentliche nach ihm kommt! Durch den Dienst des Diakons hindurch soll man auf Christus schauen können. Man muss über ihn hinausschauen können, er darf seinen Meister nicht verstellen. Jesus hat diese Haltung bei der Fußwaschung anschaulich gemacht, als er sich bückte vor den Jüngern.

Diese Haltung wird ermöglicht, wenn ich aus einer gesunden Freiheit zu meinem Ego lebe. Dienen im Geiste Jesu, sich bücken können braucht solche Freiheit als Innenseite. Freiheit, die sich dann dem verborgenen Herrn im Menschen vor mir zuneigt. Die Freiheit von meinem Ego wächst mir zu, wenn ich mich selbst vom Herrn angeschaut und geliebt weiß. Wer aus solcher Freiheit lebt, wird zum Dienen im Geiste Jesu befähigt und ebenso dazu, sich selbst dienen zu lassen. Petrus bewies bei der Fußwaschung, dass er noch nicht in dieser Freiheit lebte, als er sich vom Herrn die Füße nicht waschen lassen wollte: Du willst mir die Füße waschen? (vgl. Joh 13,6)

Dienen und sich dienen lassen rücken in der Haltung der Freiheit zusammen. Dann erst gibt es nicht mehr wirklich unten und oben, sondern das Einssein mit Christus. Und das macht mich frei. Eine solche diakonale Gesinnung wird zum Aufweis der Reife, welche die Gemeinschaft mit Christus in mir bewirkt. Dann gestaltet sich Dienen als gelebte Freiheit aus der Erfahrung des Einsseins in Christus. Deshalb ist die Diakonenweihe die bleibende Grundmauer des sakramentalen Ordo, sie wird durch die Priesterweihe nicht aufgehoben, im Gegenteil. Denn sakramentales Amt gründet im Dienen Jesu.

In dem Film „Franziskus“ (1989) von Liliana Cavani gibt es eine Szene, in der die Freunde aus Assisi zum Heiligen Franz eilen. Es ist ganz zu Beginn seiner Berufungsgeschichte, am Anfang seines Ausstiegs aus Beruf und Herkunftsfamilie. Seine Freunde sind beunruhigt. Sie fragen Franziskus: Wie kannst du auf alles verzichten? Was bewegt dich, ein solch radikales Leben zu führen? Warum lebst du so? Franziskus gibt eine knappe, aber prägnante Antwort: Ich habe keine Angst mehr.

Liebe Diakone, wir beten in dieser Feier, dass Ihr durch die Kraft des euch verliehenen Geistes von aller Angst befreit werdet, im Geiste Jesu zu dienen.

Amen.


[1] Christof W. Strüder, Paulus und die Gesinnung Christi: Identität und Entscheidungsfindung aus der Mitte von 1 Kor 1-4 (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 190), Leuven 2005, 345.