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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB anlässlich der BR-Gottesdienstübertragung am 23. Juli 2017 in Rebdorf

Unkraut vergeht nicht!

Liebe Schwestern und Brüder hier in der Kirche und zuhause an den Bildschirmen,

das weiß jeder, der für einen Garten zu sorgen hat, oder der mit offenen Augen über unsere Fluren oder durch eine Parkanlage spazieren geht. Da kannst du dich noch so sehr plagen, … Unkraut vergeht nicht. Es wächst immer wieder neu nach. Wer anfängt, Unkraut zu jäten, wird damit nie fertig.

Im Evangelium, das wir gerade gehört haben, erzählt uns Jesus ein Gleichnis. Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der Weizen aussät. Und der muss feststellen, dass mit dem Weizen gleichzeitig auch das Unkraut heranwächst. Wenn Jesus vom Himmelreich spricht, dann geht es da nicht nur um den Himmel, sondern um unsere Erde, um unsere Welt. Jesus nimmt deswegen gerne Bilder aus der Natur, um das Leben von uns Menschen zu deuten, denn er liebt das einfache Leben nahe an und mit der Natur.

Getreide ist und war immer schon ein kostbares und lebenswichtiges Nahrungsmittel für die Menschen gewesen. Ausgesät wurde es damals mit der bloßen Hand, was äußerst mühevoll war. Umso enttäuschender war es, dass nach all der Plagerei zwischen dem Weizen unvermeidlich auch noch Unkraut heranwuchs und den Ertrag der Weizenernte bedrohte. Beim Unkraut im Weizenfeld hatte Jesus wohl eine Pflanze vor Augen, die auf den Äckern Palästinas vorkam und die besonders viel Ärger machte. Ein ungeübtes Auge konnte sie am Anfang ihres Wachstums kaum vom heranwachsenden Getreide unterscheiden. Außerdem verband sich dieses Unkraut gern mit den Wurzeln der Nutzpflanzen.

Die Mitarbeiter des Bauern im Gleichnis, der seinerzeit den Weizen ausgesät hatte, machten sich angesichts des wachsenden Unkrauts Sorgen um den Ernteertrag. Sie hegten die Absicht, die Wachstumsbedingungen für den Weizen zu optimieren, und empfahlen gegen das Unkraut mit der Radikalmethode vorzugehen und es auszureißen.

Der erfahrene Bauer hielt aber seine übereifrigen Arbeiter davon ab. Ein solches Eingreifen würde auch das Gute beschädigen. Die Wurzeln des Unkrauts könnten ja mit den Wurzeln des Weizens verwachsen sein. Außerdem ist das Unkraut nicht leicht zu unterscheiden vom Weizen. Eine kluge Anweisung!

Im Gleichnis Jesu bedeutet der Weizen auf dem Acker das Gute, das im Leben eines Menschen und in der Welt ausgesät wird und heranreift. Aber wo Gutes am Wachsen ist, macht sich schnell auch das Schlechte breit. Beides gleich am Anfang zu unterscheiden, ist oft gar nicht so leicht: Was ist Unkraut, was ist Weizen?

Der Acker mit dem Weizen und dem Unkraut nebeneinander steht für meine eigene Wirklichkeit und für die Welt, in der wir leben. Da wächst viel Gutes. Aber es gibt nicht nur das Gute. Gutes und Schlechtes, Positives und Negatives liegen oftmals nah beisammen.

Mit diesem Gleichnis sagt uns Jesus, dass wir das Gute nicht einfach machen und herstellen können. Wir können uns darum bemühen und uns anstrengen. Trotzdem wird das Böse nicht ausbleiben. Das Gute bleibt ein Geschenk! Zwar liegt der Same des Guten in unseren Händen, wir sollen auch säen. Aber dann muss ich das Gute auf dem Acker des Lebens wachsen und reifen lassen bis zur Ernte. Das ist dann die Zeit, in der vor allem Gott wirkt.

Und von uns braucht es inzwischen die Haltung der Geduld und des Vertrauens in die Kraft des Saatgutes. Echte Weizenpflege heißt auch: Vertrauensvoll warten können. Es braucht Geduld. Es nützt nichts, alle Kraft und Zeit mit dem Unkrautausreißen zu verschwenden. Im Gegenteil, es gefährdet das Wachstum des Guten.

Geduld zu haben, ist dabei etwas anderes als nur einfach ‚nichts zu tun‘, als Untätigkeit. Wer den Weizen pflegt, wird genügend beschäftigt sein. Aber alles Tun braucht die Haltung einer ‚himmlischen‘ Geduld, das heißt: Ich darf hoffen und vertrauen, dass Gott das Entscheidende wirkt.

Jesus macht uns im heutigen Evangelium Mut. Im Gleichnis sagt er uns, der Herr der Ernte, Gott selbst lädt uns ein, ihm zu vertrauen. Er ist bereit, uns und diese Welt mit allem Positiven und Negativen auszuhalten. Aber er setzt vor allem auf das Gute in uns, dass es wächst, unbeeindruckt von dem, was überall an Unkraut sprießt.

Gott blickt mehr auf das Wachstum des Weizens, als auf das Unkraut in meinem Leben. Für mich heißt dies, auch ich bin ein Weizenfeld Gottes, auf dem alles Mögliche ins Kraut schießen kann. Gott hält das aus. Denn er weiß: das Gute wird sich auf Dauer durchsetzen.

Liebe Schwestern und Brüder, unsere Kirche hier in Rebdorf steht mitten in einer Klosteranlage. Hier beherbergt unser Bistum ein Schulzentrum. Viele junge Menschen bereiten sich für das Leben vor und bekommen ihre schulische Ausbildung. Wenn wir heute an diesem Ort Eucharistie feiern, tun wir das in einem wichtigen Weizenfeld der Kirche. Der Künstler, der den Altarraum gestaltete, deutete das Weizenfeld an auf dem Hintergrund der Kreuzigungsgruppe. Viel guter Weizen wird an diesem Ort ausgesät. Und vermutlich werden die Lehrerinnen und Lehrer da und dort auch das Unkraut nicht übersehen können.

In unseren kirchlichen Schulen und Bildungseinrichtungen sollen junge Menschen das Vertrauen lernen, dass Gott wirkt, auch wenn wir das nicht gleich immer und in jedem Augenblick erkennen und als solches deuten können. Hier soll das Vertrauen wachsen, dass sich das Gute in den Herzen der Menschen und in der Welt auf Dauer durchsetzen wird. Und hier sollen Frauen und Männer heranwachsen, die sich zu Weizenpflegern ausbilden lassen, um nicht als Unkrautjäter im Leben zu scheitern.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus will, dass wir unser Handeln vom Guten bestimmen lassen. Er lädt uns ein, vertrauensvoll und geduldig auf das Wachstum des Guten zu setzen. Das gilt für alle Eltern, Großeltern, Lehrer, Erzieher, Seelsorger, den Kinder und Jugendliche anvertraut sind. Mit Gottes Hilfe dürfen wir großzügig das Aussäen, was uns in die Hand gegeben ist. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass Gottes Schöpferkraft das Wachsen ermöglicht und es mit seinem Segen eine reiche Ernte geben wird!

Amen