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26.02.2018

"Was ist Lebensqualität in Zeiten des Klimawandels?": Studientag über Bericht des Club of Rome

Studientag "Wir sind dran"

Von links nach rechts: Andreas Huber (Club of Rome Deuschland), Bischof Gregor Maria Hanke, Dr. Christian Magerl (MdL, Grüne), Dr. Rüdiger Recknagel (Audi AG), Lisa Amon (Nachhaltigkeitsreferentin Bistum Eichstätt) und Martin Wagner (Landesgeschäftsführer KLB Bayern) beim Studientag in Eichstätt. Foto: KLB

Eichstätt. "Wir müssen uns darüber unterhalten, was Lebensqualität ist. Und wir müssen uns ehrlich auch darüber unterhalten, welchen Lebensstandard wir uns leisten können und dürfen", sagte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke am Samstag bei einem Studientag "Wir sind dran – Handlungsspielräume und Perspektiven in Zeiten des Klimawandels" im Priesterseminar in Eichstätt.

Der leidenschaftlich für das Thema "Nachhaltigkeit" eintretende Bischof wählte in der Podiumsdiskussion mit Vertretungen aus Politik und Gesellschaft über den neuen Bericht des "Club of Rome" zum Klimawandel ganz praktische Beispiele: "So kann man im Winter beispielsweise auch Sauerkraut statt Zitrusfrüchte essen, um ausreichend mit Vitamin C versorgt zu sein."

Auf dem Podium und in Kleingruppen debattierten mit den rund 100 Anwesenden hochkarätige Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Veranstalter waren das Referat Schöpfung und Klimaschutz der Diözese Eichstätt und das Landesbildungswerk der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in Bayern.

Club of Rome fordert "neue Aufklärung für die Welt"

Im Mittelpunkt des Studientags stand der neue Bericht des Club of Rome "Wir sind dran: Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen", der von Andreas Huber, Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft des Club of Rome, vorgestellt wurde.

Der aktuelle Bericht des Club of Rome mit dem Titel "Wir sind dran" erfahre leider nicht so viel Aufmerksamkeit. Die Menschen seien zugedeckt mit vielfältigen Nachrichten in den Medien, die oft eigentlich wichtige Themen verdecken, die ursächlich für viele Probleme sind.
Die Problembeschreibung ist beim "Club of Rome" klar. Huber: "Es ist unmöglich, allen Menschen der Erde den gleichen Lebensstil zu sichern. Die Menschen verbrauchen heute etwa das Anderthalbfache dessen, was die Erde verkraftet. Die CO2-Emissionen von heute werden dabei erst in etwa 20 Jahren wirksam."

Wir müssten also jetzt auf die Bremse treten, um an der roten Ampel halten zu können, so Huber: "Aber es gibt zu viele Leute, die sagen, man könne nicht bremsen und sogar einige, die sagen, es gäbe gar keine rote Ampel. Mit letzteren sollten wir uns aber gar nicht lange aufhalten."

Der neue Bericht des Club of Rome fordere vor allem eine "neue Aufklärung für eine volle Welt". Laut Ernst Ulrich von Weizsäcker sind wir hervorragende Diagnoseärzte, aber miserable Therapieärzte. Es werde darauf ankommen, uns zu hinterfragen, wer wir als Menschen sind und sein wollen. Dazu brauche es einen breiten Dialog und hier spielten die Kirchen eine wichtige Rolle. Es brauche eine andere Art der Kooperation, die auf die Werte Demut, Toleranz, Achtsamkeit und Mitgefühl setze. Die gesamte Volkswirtschaft brauche einen Systemwechsel: "profit and planet" statt "profit from planet".

Neben der Vorstellung des Berichts und der Empfehlungen des "Club of Rome" konnte mit weiteren Expertinnen und Experten unterschiedlicher Institutionen und Verbände über den Klimawandel und Wege, notwendige Veränderungsprozesse zu starten, diskutiert werden.
Vier konkrete Handlungsfelder diskutiert

Die Panels zu vier wichtigen Teilbereichen waren sehr gut besetzt, etwa mit Hubert Bittlmayer, Amtschef Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und Barbara Schmidt, Misereor Arbeitsstelle Bayern, die über Folgen aus dem Bericht für die weltweite Agrarpolitik und alle einzelnen Menschen diskutierten.

Passende Problembeschreibungen und Handlungsansätze brachten für das Thema "Energie" Dr. Herbert Barthel, Energiereferent Bund Naturschutz Bayern und Christian Hahn, stellvertretender Abteilungsleiter Bayerisches Wirtschaftsministerium ebenso wie für das Thema "Mobilität und Verkehr" Dr. Ing. Rüdiger Recknagel, Leiter Umweltschutz Audi AG, Ingolstadt, und Gerd Weibelzahl, Schatzmeister VCD Bayern. Das Panel "Stadtentwicklung und Wohnen" besetzten Ramón Arndt von Green City München und Dr. Peter Pluschke, berufsmäßiger Stadtrat und Umweltreferent der Stadt Nürnberg.

Es war erkennbar, dass das Referat von Andreas Huber Spuren bei den Teilnehmenden hinterlassen hatte: Es wurde engagiert und lösungsorientiert diskutiert. Am Ende hatten die vier Panels zwölf dicht beschriebene Flipchart-Papiere für das Podium am Nachmittag beschrieben – eine Herausforderung, aber auch wichtige Ergebnisse!

"Der Mensch darf die Schöpfung nicht zerstören"

Der Nachmittag begann mit der theologisch-ethischen Einordnung der Thematik durch Bischof Gregor Maria Hanke OSB. Der Hilferuf nach nachhaltigem Handeln sei überall vernehmbar. Dabei ist "Nachhaltigkeit" die immer wieder neue Antwort auf die Fragen der Zeit. Es brauche Kriterien des guten und des schlechten Handelns angesichts der vor uns liegenden Probleme.
Bischof Hanke: "Es gibt einen Imperativ der Nachhaltigkeit. Ein System ist nachhaltig, wenn es selbst überlebt und Bestand hat. Die ethische Notwendigkeit nachhaltigen Handelns ergibt sich – neben den zwingenden Fakten der Wissenschaft –auch aus dem Schöpfungsauftrag: Die Welt als gottgewollte Gemeinschaft von Mensch und Natur."

Der heutige Mensch lebe oftmals entfremdet von der Natur. Dabei gehöre er dem Wesen nach der Schöpfungsgemeinschaft selbst an. Wichtig sei auch, zu sehen, dass das "Haus des Lebens" für alle Menschen errichtet wurde. Keine Gruppe dürfe sich anmaßen, die Schöpfung nur für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen, vor allem dann nicht, wenn andere dabei geschädigt werden. Der Mensch erfahre sich in "Sein" und "Haben". Bischof Hanke: "Die Moderne hat zu einer Überbetonung des ‚Haben‘ geführt. Am Ende kommt es darauf an, dass der Mensch die auf Gott ausgerichtete Schöpfung nicht zerstören darf."

Dialog über nötige Veränderungen

Moderiert vom Redaktionsleiter der Eichstätter Kirchenzeitung, Michael Heberling, folgte eine spannende, intensive und sehr faire Podiumsdiskussion, an der neben Bischof Hanke und Andreas Huber auch der Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Dr. Christian Magerl (Grüne), und der Leiter Umweltschutz der AUDI AG, Dr. Ing. Rüdiger Recknagel teilnahmen. Auch das Publikum signalisierte durch vielfachen Applaus, dass die Vertreter von Kirche, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auf dem Weg zu einem guten und zielorientierten Dialog waren.

Für Christian Magerl geht es leider im Moment wieder in die falsche Richtung: "Der Flottenverbrauch der Autos steigt, der CO2-Ausstoß stagniert und EU-Grenzwerte werden aufgeweicht. Die Ziele im Koalitionsvertrag sind dabei nicht ehrgeizig genug." Dr. Rüdiger Recknagel (Audi) zeigte sich offen für Veränderungen und mehr politische Leitplanken beim CO2-Ausstoß, räumte aber ein: "Bei den Mitarbeitern von Audi gibt es z.T. eine große Verunsicherung angesichts der Veränderungen, die im Automobilbau auf die Firma zukommen. Man wird viel ausprobieren und manches ausprobieren müssen und dabei trotzdem Geld verdienen müssen. Man wird sich auch darauf einstellen müssen, dass die Automobilindustrie schrumpfen wird – und man kann sich darauf einstellen."

Andreas Huber vom Club of Rome fasst zusammen: "Die Systemwende braucht Nachdenken, wird zu Beginn sicher unbequem sein, aber möglicherweise schon bald so gewohnt sein, wie wir uns an unser jetziges System gewohnt haben. Die Werte-Diskussion darüber, was wir brauchen, damit es uns gut geht, ist wichtig. Die Kirchen können hier eine wichtige Rolle spielen."

Abschluss mit Vesper: "Ich bin dran!"

Den Abschluss des Tages bildete eine Vesper, gehalten vom Landvolkseelsorger der KLB Bayern. Josef Mayer sagte in seiner Predigt, die die Erzählung von der von Noah ausgeschickten Taube, die zweimal erfolglos zu ihm zurückkehrt, aufgriff: "Ich bin dran – in meinen konkreten Lebensverhältnissen. Das bedeutet, seine Eigenfixierung zu durchbrechen und ins Gespräch zu kommen. Die Chance zum Gespräch nutzen, wenn sie sich bietet, z.B. im Zug. So können gute Gespräche entstehen, die etwas in Bewegung setzen. Wir sollten darauf vertrauen, dass die Taube des Geistes Gottes einen Landeplatz finden wird!"

Fazit der Veranstalter

Lisa Amon, Referentin für Schöpfung und Klimaschutz des Bistums Eichstätt, zog für die Veranstalter als Fazit: "Ich denke, es ist uns mit diesem Tag gelungen, einen Bogen zu schlagen über die vielfältigen Aspekte, die Einfluss auf den Klimawandel haben und über die verschiedenen Akteure aus Kirche, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, die hier zum Handeln aufgefordert sind. Es wurde deutlich, dass es höchste Zeit ist, ‚auf die Bremse zu treten‘, um noch rechtzeitig an der ‚roten Ampel‘ halten zu können. Dabei ergaben sich erstaunliche Übereinstimmungen zwischen allen Teilnehmern des Podiums, auch wenn sie natürlich verschiedene Sichtweisen eingenommen haben. Genau darauf ist es uns aber angekommen: Den Dialog suchen und sich gemeinsam auf den Weg machen. Ich denke, hier haben wir ganz im Sinne des aktuellen Berichts des Club of Rome ‚Wir sind dran‘ gehandelt."

Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Expertinnen und Experten, die sich für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung einsetzen. Bekannt geworden ist der Thinktank durch seinen 1972 veröffentlichten Bericht "Die Grenzen des Wachstums". Der neue Bericht "Wir sind dran" wurde von 35 Autorinnen und Autoren um die beiden Club-Präsidenten Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman verfasst.

Quelle: Katholische Landvolkbewegung) Bayern (KLB)

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