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21.11.2017

Caritas fordert mehr Einsatz gegen häusliche Gewalt: Zwei Sozialpädagoginnen informieren

Die Caritas-Sozialpädagoginnen Andrea Schlicht (links) und Gisela Hirsch im Gespräch über Häusliche Gewalt. Sie wünschen sich, dass die Problematik stärker enttabuisiert wird. Foto: Caritas/Esser

Die Caritas-Sozialpädagoginnen Andrea Schlicht (links) und Gisela Hirsch im Gespräch über Häusliche Gewalt. Sie wünschen sich, dass die Problematik stärker enttabuisiert wird. Foto: Caritas/Esser

Eichstätt – Häusliche Gewalt muss noch stärker enttabuisiert werden und es muss noch mehr präventiv gegen dieses Problem getan werden. Das fordert der Caritasverband für die Diözese Eichstätt anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Andrea Schlicht, Leiterin des Frauenhauses und Sprecherin zum Thema Häusliche Gewalt beim Verband, beobachtet mit Sorge, dass sie es bei den Frauen in der Schutzeinrichtung teilweise bereits mit einer generationenübergreifenden Herausforderung zu tun hat: „Mehrere waren bereits als Kinder im Frauenhaus.“ Vor allem ein höheres Augenmerk auf die heute betroffenen Kinder zu legen fordert Gisela Hirsch. Sie hat die Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt gegen Frauen inne, welche bei der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt angesiedelt ist.

„Leider kein Einzelphänomen“

Laut einem Bericht des Bundeskriminalamtes wurden im Jahr 2015 in Deutschland mehr als 100.000 Frauen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft – und dabei über 330 sogar von Totschlag und Mord. Das muss nach Ansicht der beiden Caritas-Sozialpädagoginnen die ganze Gesellschaft alarmieren. „Und es gibt eine hohe Dunkelziffer. Das Problem ist somit in unserem wohlhabenden und zivilisierten Land leider kein Einzelphänomen“, betont Gisela Hirsch. Sie hat nach eigenen Angaben dieses Jahr bereits rund 50 hilfesuchende Frauen ambulant beraten, deren Fälle ihr im Rahmen der Kooperation mit der Polizei vermittelt wurden. „Hinzugekommen sind Frauen, die bereits letztes Jahr beraten wurden und nun erneut Hilfe suchen sowie weitere Personen, die sich selbst gemeldet haben“, informiert Hirsch.

Im Frauenhaus sind bis jetzt in diesem Jahr laut Andrea Schlicht 52 Frauen mit 57 Kindern aufgenommen worden. „Kinder sind es jetzt schon mehr als im ganzen letzten Jahr“, erklärt sie und fügt hinzu: „Von den 19 Frauen, die keine mitbrachten, haben mehrere ihre Kinder zurückgelassen.“ Das Schicksal der betroffenen Kinder im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt an Frauen halten die beiden Caritasmitarbeiterinnen denn auch für besonders besorgniserregend: „Wenn jemand in der Nachbarschaft mitbekommt, dass in einem Haushalt etwas nicht in Ordnung ist, wäre es gut, die Frau oder auch den Mann darauf anzusprechen und nicht wegzuschauen“, wünscht sich Gisela Hirsch noch mehr Sensibilität für die Problematik in der Gesellschaft und bei jedem Einzelnen.

Die Gewaltformen, welche die Frauen erleben mussten, reichen von körperlicher und sexueller Misshandlung über psychische bis zu sozialer und ökonomischer Gewalt. „Es handelt sich zum Beispiel um Schläge in der Schwangerschaft,  Vergewaltigung oder auch Würgen mit dem Versuch der Erstickung“, nennt Andrea Schlicht einige besonders drastische Vorkommnisse. Doch Demütigungen und „systematisches Kleinmachen“ mit Worten wie „Du kriegst das sowieso nicht hin“ wirkten oft nicht minder verletzend. Oder auch Verbote der Partner, soziale Kontakte zu pflegen, sich zum Beispiel mit einer Freundin zu treffen. Sowohl im Frauenhaus als auch bei der Interventionsstelle haben den beiden Caritas-Fachkräften zufolge über die Hälfte der hilfesuchenden Personen Migrationshintergrund. Bezüglich des beruflichen Status‘ ist es unterschiedlich: „Die im Haus aufgenommenen Frauen haben sich vorrangig um Haushalt und Kindererziehung gekümmert und waren nicht erwerbstätig. Dies macht sie natürlich in besonderer Weise abhängig von ihrem Partner“, so Schlicht. Bei den Frauen, welche die Interventionsstelle aufsuchen, sind laut Gisela Hirsch zwar durchaus viele berufstätig. Doch die Sozialpädagogin erlebt es, dass selbst Akademikerinnen aufgrund extremer Machtausübung und Kontrolle des Partners oft völlig verunsichert sind. „Dann schaffen es selbst diese gebildeten Personen nicht, zum Beispiel einen einfachen Kindergeldantrag auszufüllen.“

Wohnungsnot belastet 

Als besonders belastend für die Betroffenen erfahren die beiden Caritas-Fachkräfte auch die Wohnungsnot. „Bei uns können Frauen oftmals nur deshalb nicht ausziehen, weil nicht genügend Wohnraum zur Verfügung steht“, bedauert Andrea Schlicht. Und Gisela Hirsch bekommt bei ihrer ambulanten Beratung immer wieder mit, dass „Frauen zu Hause in der Gewaltbeziehung verbleiben müssen, weil es keine Wohnungen gibt, die sie mieten können – selbst wenn sie das Geld dafür hätten“. Zwar kann sich das Opfer nach dem Gewaltschutzgesetz die derzeitige Wohnung zuweisen lassen, „doch viele Frauen entscheiden sich gegen diese Möglichkeit, da sie Repressalien der Partner fürchten“, erfährt die Caritasberaterin. In eine Pension zu ziehen, würden viele Frauen ablehnen, weil sie dies vor allem für ihre Kinder als nicht geeignet sehen. Und ins Frauenhaus wollten auch viele Betroffene nicht, „vor allem dann nicht, wenn die Kinder schon älter sind“, beschreibt Gisela Hirsch die Problematik. „Nicht für jede Frau ist das Frauenhaus eine Option, da das Einverständnis älterer Kinder oft eine gewichtige Rolle spielt sowie ältere Söhne nicht mit aufgenommen werden können.“

Um die Gewalt zu verringern, halten die beiden Caritas-Fachkräfte vor allem vorbeugende Arbeit für wichtig. Andrea Schlicht ist daher erleichtert, dass das von ihrer Einrichtung bereits seit einigen Jahren durchgeführte Projekt „Prävention von häuslicher Gewalt (PräGe)“ zumindest auch in nächster Zeit fortgeführt werden kann. Zwei Mitarbeiterinnen, die eine spezielle Schulung beim Landesverband des Sozialdienstes katholischer Frauen absolviert haben, gehen in Schulen, um über die Problematik aufzuklären. „Wir sind hier für alle Schularten ab der siebten Klasse offen“, lädt die Frauenhausleiterin Interessierte zu einer Zusammenarbeit ein. Das Projekt wird nach ihren Angaben gemeinsam vom Diözesan-Caritasverband Eichstätt, von der Stadt Ingolstadt und mit hohen Spendengeldern vom Soroptimist International (SI) Club Ingolstadt sowie vom Lions-Club Ingolstadt finanziert.

Gisela Hirsch hofft unterdessen, „dass die kommunale Finanzierung der Interventionsstelle für das nächste Jahr schnell gesichert wird, damit hier die Arbeit zum Wohl der von Gewalt betroffenen Frauen weiterhin geleistet werden kann“.

Quelle: Caritas

 

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